Recht und Konsens im frühen Mittelalter, hg. v. Epp, Verena/Meyer, Christoph H. F. (= Vorträge und Forschungen 82). Thorbecke, Ostfildern 2017. 487 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Wie das Recht in seinem Anfang entstand, entzieht sich in Ermangelung diesbezüglicher Quellen der menschlichen Kenntnis, doch stehen jedenfalls in späteren Zeiten die Bildung durch Konsens aller Betroffenen und die Setzung durch einen oder einige über alle Betroffenen nebeneinander. Unabhängig hiervon kann geschaffenes Recht trotz Setzung bei Fehlen jeglicher Akzeptanz der Betroffenen kaum auf Dauer von Bestand bleiben. Dementsprechend ist das Verhältnis von Recht und Konsens im frühen Mittelalter von großem rechtsgeschichtlichem Interesse.
Mit ihm beschäftigt sich sehr ausführlich der vorliegende Band, der sich aus 14 Beiträgen zusammensetzt, welche in Zusammenarbeit von allgemeiner Geschichte und besonderer Rechtsgeschichte für die von dem Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte e. V. auf der Insel Reichenau von dem 27. bis zu dem 30. März 2012 verfasst und für den Druck überarbeitet und teilweise erweitert wurden. Dabei wurden nach einer historischen Einführung der Herausgeberin in das Thema und einem Überblick des Herausgebers über Konsens in der Rechtsgeschichte des frühen Mittelalters theologische Perspektiven bei Gregor dem Großen, die Geltung kraft Konsenses oder kraft königlichen Befehls in der lex Romana unter den Westgoten, Burgundern und Franken, das Westgotenreich als mögliches Beispiel des Misslingens konsensualer Herrschaft, irische Rechtstexte des siebten bis neunten Jahrhunderts, das ostgotische Königtum nach Theoderich, das Verhältnis von Konsens und Argumentation bei König Rothari, die Semantik der Bezeichnungen leudes, fara, faramanni und farones, Konsens und consensus im Merowingerreich, Herrschaft und Konsens in der Lex Baiuvariorum und den Decreta Tassilonis, die Verfolgungsgeschichte Victors von Vita in dem vandalischen Nordafrika, consensus und Versammlungen in den römisch-germanischen Königreichen und der consensus iuris im frühen Mittelalter angesprochen. Allein das Inhaltsverzeichnis verheißt also bereits vielfältige neue Einsichten der beteiligten vorzüglichen Sachkenner.
Dementsprechend hat der Band bei seinem Erscheinen unmittelbar das besondere Interesse eines ausgewiesenen Rezensenten erweckt. Es genügt daher an dieser Stelle ein allgemeiner Hinweis des Herausgebers. Er hätte es auch als durchaus hilfreich empfunden, wenn die in Düsseldorf 1988 über Fulcher von Chartres promovierte, zeitweise unter Verena Postel veröffentlichende und über amicitia habilitierte, seit 2000 in Marburg tätige Herausgeberin und der 1966 geborene, 1995 in Leuven über die Distinktionstechnik in der Kanonistik des 12. Jahrhunderts promovierte, an dem Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main wirkende Herausgeber den gewichtigen Band außer mit einem Register der Orte und einem Register der Personen auch benutzerfreundlich mit einem Stellenverzeichnis für consensus und Konsens hätten ausstatten können.
Innsbruck Gerhard Köbler