Orth, Rainer, Der Amtssitz der Opposition? Politik und Staatsumbaupläne im Büro des Stellvertreters des Reichskanzlers in den Jahren 1933-1934. Böhlau, Köln 2016. 1118 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

In dem vielfältigen Wettstreit der zahllosen Menschen um tatsächliche oder vermeintliche Vorteile gibt es neben den jeweiligen Siegern immer auch zahllose Verlierer. Sie müssen zwar ihre Niederlage zumindest augenblicklich in zivilisierten Gesellschaften hinnehmen, können sich aber immer Gegenhandlungen für spätere Gelegenheiten offen oder still vorbehalten. Dies gilt auch für das Ringen um die politische Macht in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

 

Mit einem Einzelaspekt dieser Problematik beschäftigt sich die umfangreiche, von Michael Wildt betreute, an der Humboldt-Universität in Berlin 2016 angenommene Dissertation des Verfassers, welche die Auseinandersetzung zwischen Ernst Röhms Sturmabteilung und der Reichswehr in den ersten Jahren der nationalsozialistischen Herrschaft in dem Deutschen Reich zum Gegenstand hat. Sie gliedert sich nach einer Einleitung in insgesamt sechs Abschnitte. Diese betreffen die Protagonisten der Vizekanzlei des Reiches vor 1933, Kulissenspiele, einen Minister ohne Hausmacht, die Gründung des Büros des Stellvertreters des Reichskanzlers im Mai 1933, die Vizekanzlei als Amtssitz der Opposition und eine unplanmäßig verlaufende Eskalation.

 

Im Ergebnis umfangreicher, durch zahlreiche Anmerkungen gestützter Untersuchungen bejaht der Verfasser ein Netzwerk gegen Adolf Hitler unter Franz von Papen, dem 1933/1934 ein eigenes Amt als oberste Reichsbehörde mit etwa 50 Mitarbeitern unterstellt wurde. Als wichtigste Mitstreiter des opportunistischen und geltungssüchtigen Vizekanzlers ermittelt der Verfasser Herbert von Bose, Edgar Jung (Die Herrschaft der Minderwertigen 1927), Wilhelm von Ketteler und Fritz Günther von Tschirschky. Allerdings hatte die Gruppe, von der neben von dem von Hitler als Botschafter verwendeten Franz von Papen nur der 1935 nach England fliehende Tschirschky überlebte, wegen der eigenen Schwächen wie der populistischen Stärken Adolf Hitlers keinen Erfolg und die Vizekanzlei wurde am 1. Juli 1934 unter Albert Speer an die Reichskanzlei angeschlossen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler