Leng, Rainer, Grenzen, Steine, Sechsersprüche. Die dörfliche Rechtspraxis im Spiegel des „Frammersbacher Sechserbuchs“ (1572-1764) (= Publikationen aus dem Kolleg Mittelalter und frühe Neuzeit 3). Königshausen & Neumann, Würzburg 2017. 312 S., Ill. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Frammersbach liegt zwischen Würzburg und Aschaffenburg im Spessart an der Mündung des früher Frammersbach genannten Laubersbachs in die Lohr. Im Jahre 2016 feierte der Ort die siebenhundertste Wiederkehr seiner schriftlichen Ersterwähnung. Bereits 2002 war das insgesamt 151 Papierblätter in zehn Lagen umfassende Frammersbacher Sechserbuch dem 1966 in Weißenburg in Bayern geborenen, nach dem Studium von Geschichte, Germanistik, Sozialkunde und Altphilologie 1996 mit einer Dissertation über Konrad von Halberstadt summa cum laude promovierten, 2000 mit einer Untersuchung über kriegstechnische und kriegstaktische Bilderhandschriften und Traktate im 15. und 16. Jahrhundert in Würzburg in mittelalterlicher Geschichte habilitierten, seit 2008 als außerplanmäßiger Professor in Würzburg tätigen Verfasser des vorliegenden Werkes erstmals begegnet, als ihn Gerrit Himmelsbach auf ein außergewöhnliches und vielversprechendes Archivale im Archiv der Marktgemeinde aufmerksam machte.

 

Dem folgten mit finanzieller Unterstützung durch die Gemeinde unter der Obhut des Archäologischen Spessartprojekts zwischen November 2002 und März 2003 eine vollständige Transkription und eine erste inhaltliche Auswertung des Sechserbuchs. 2016 wurde die Drucklegung der vorliegenden Arbeiten bejaht. Gegliedert ist das hierauf gründende Werk nach  einer Einleitung über das Frammersbacher Sechserbuch, Beschreibung der Handschrift sowie Chronologie und Struktur des Inhalts in zwei Sachkapitel über das Sechserbuch als Quelle zum ländlichen Rechtswesen (Sechser, Dorfgericht, Bürgermeister, Schultheiß, Sechserverfahren, Mündlichkeit und Schriftlichkeit) und das Sechserbuch als dorfgeschichtliche Quelle (Namen, Familien, Sozialstruktur und Wirtschaft, Besitz und Topographie, Handwerk und Gewerbe, Ackerbau und Viehwirtschaft, sowie die Sechser und die Brennpunkte dörflicher Streitigkeiten – Wasser, Grenzverlauf, Wege).

 

Insgesamt kann der Verfasser eindringlich zeigen, dass die Sechser als Teil des Dorfgerichts Feldgeschworene, wie es sie in Bayern noch in der Gegenwart in einer Zahl von rund 20000 gibt,  mit Zuständigkeiten für alle Gemarkungsfragen waren. Zwischen 1572 und 1764 führten sie ein Protokollbuch mit mehr als 200 Sprüchen (S. 129ff.), neben dem auch zwei vollständige Gemarkungsbeschreibungen (Landleitungen) erhalten sind. Ein Register von Amrein bis Zwerchenweg schließt die über die genossenschaftlich organisierte örtliche Rechtspflege unmittelbar berichtende Quelle und ihre wissenschaftliche Durchdringung seitens des Bearbeiters benutzerfreundlich bestmöglich auf.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler