Knabe, Bernd, Zur Praxis des politischen Strafrechts in der Honecker-Zeit. Fundstücke zu 27 Fällen von Hohenschönhausener Häftlingen. Nomos, Baden-Baden 2016. 328 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Nach dem Sieg der Alliierten über das Deutsche Reich Adolf Hitlers hatten Westen und Osten unterschiedliche Vorstelllungen von der Zukunft. Die sozialistischen Politiker der anschließenden Deutschen Demokratischen Republik behaupteten zwar grundsätzlich Verbesserungen für die von ihnen beherrschten Menschen, doch gestatteten sie diese grundsätzlich nur in dem Rahmen der eigenen Zielsetzungen. Deswegen wichen öffentliche Erklärungen und gelebte Wirklichkeit sehr oft und auch sehr weit voneinander ab.
Mit einem Teilaspekt dieser Problematik befasst sich das vorliegende Werk des in Chemnitz 1943 geborenen, 1961 nach dem Abitur mit Facharbeiterbrief nach West-Berlin ausgereisten und nach einem Studium 1973 promovierten Verfassers, der als Mitglied der Kommission für internationale Bevölkerungsfragen der deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen und als Leiter für Innenpolitik des Arbeitskreises Außen- und Sicherheitspolitik Russlands bis 1999 tätig war. Sein Werk gliedert sich in insgesamt sechs Abschnitte. Sie betreffen die Ausgangslage, die Untersuchungshaft des Ministeriums für Staatssicherheit, die Elemente der Scheinjustiz, die Auswertung der Verfahren durch das Ministerium und die Justiz, den Strafvollzug und die Zeit danach sowie eine zusammenfassende Schlussbetrachtung.
Untersucht werden ausgewählte Fälle aus den Jahren von 1971 bis 1989, in denen Betroffene in dem Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen inhaftiert und im Anschluss durch Gerichte Ostberlins verurteilt wurden. Dabei kann der Verfasser anschaulich zeigen, dass die Häftlinge in weitem Umfang dem Zusammenwirken des Untersuchungsorgans und der Staatsanwaltschaft ausgeliefert waren, wobei Zeit und Art der Entlassung bestimmt werden konnten. Insgesamt gelingen ihm in quellennaher sorgfältiger Ermittlung vielfältige neue Einsichten ebenso eindrucksvoll wie die Benennung und Beschreibung weiterer, noch offener Einzelfragen.
Innsbruck Gerhard Köbler