Jilek, Catherine, Priorität im bayerischen Konkurs seit der frühen Neuzeit (= Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte 27). Lit, Berlin 2015. 242 S. Besprochen von Werner Schubert
Mit der Monografie Catherine Jileks liegt erstmals eine rechtshistorische Darstellung der Befriedigungsreihenfolge der Konkursgläubiger am Beispiel des bayerischen Prozess- und Konkursrechts vor. Im ersten Teil behandelt die Verfasserin zunächst im Überblick die Klassensysteme der Landesordnung von 1578, des Landrechts von 1616 und des Codex Juris Bavarici Judiciarii von 1753. Anschließend widmet sich Jilek dem Hypothekengesetz und der Prioritätsordnung von 1822, jeweils unter Einbeziehung der Parlamentsverhandlungen (Kammer der Reichsräte und der Abgeordneten). Es folgen kürzere Darstellungen der Gerichtsordnungsentwürfe von 1827/1828 und 1831, die auch das Konkursrecht regelten (nicht jedoch die Priorität). Mit Recht geht Jilek sodann ausführlich auf die Entstehung und Inhalte des Konkursrechts der „Prozessordnung in bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten“ von 1869 ein, die in den Art. 1173-1318 das Konkursrecht (die Gant) regelte. Die Prioritätsordnung blieb getrennt hiervon weiter bestehen.
Der zweite Teil des Werkes ist der Entwicklung der Klassensysteme im bayerischen Konkursrecht von der Landesordnung von 1578 an gewidmet (S. 159ff.). Seit der frühen Neuzeit erkannte das bayerische Konkursrecht nach dem Vorbild des römischen Rechts an, „dass es bestimmte Gläubigergruppen gab, die aufgrund ihrer besonderen Rechtstitel, ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit oder aus sozialen Erwägungen heraus als besonders schützenswert zu gelten hatten und deshalb eine bevorzugte Befriedigung bei der Verteilung des schuldnerischen Vermögens im Konkursverfahren verdienten“ (S. 156). Die bevorzugte Befriedigung sollte geschehen durch „Festlegung einer Befriedigungsreihenfolge, in der schützenswerten Gläubigergruppen einer ihrem Schutzbedürfnis entsprechenden Stelle zugeordnet wurden“ (S. 156). Jilek stellt zunächst die strukturellen Auswirkungen der Gesetzesreformen durch Gegenüberstellung der Klassensysteme dar (S. 166ff.). Im Verlauf der Gesetzesreformen wurden die „Gläubiger innerhalb der festgelegten Klassen immer deutlicher bezeichnet, was zusammen mit den normierten Binnenrangfolgen innerhalb einer Klasse ebenfalls zur Erreichung von Rechtssicherheit beitrug“ (S. 171). Anschließend befasst sich Jilek mit den inhaltlichen Auswirkungen der Gesetzesreformen (S. 171ff. Befriedigungsreihenfolge der unterschiedlichen Klassen und Einzelfälle des Gesetzgebungsverfahrens zur Prioritätsordnung von 1822). Als Besonderheit sei darauf hingewiesen, dass nach der Prioritätsordnung von 1822 Brauereiforderungen privilegiert waren (S. 201ff.). Nicht unwichtig war auch die Reihenfolge der Befriedigung innerhalb einer Klasse. Insgesamt ging es bei der Festlegung des Klassensystems um die Rechtssicherheit, die Stärkung der Privatautonomie sowie um einen „gerechten Ausgleich der Bedürfnisse des Einzelnen und der Gesellschaft“ (S. 210), der bis Anfang des 19. Jahrhunderts eine wichtige Rolle spielte. Die Prioritätsordnung von 1822, die auch nach Inkrafttreten des bayerischen Konkursrechts von 1869 weiter galt, verfolgte zusätzlich das Ziel, „die Bereitschaft der Kreditgewährung zu fördern und so die Gesamtwirtschaft anzukurbeln“ (S. 211). Dies geschah dadurch, dass der Gesetzgeber den Hypotheken und Pfandrechten „ein Teilen der privilegierten Gläubiger stets vorrangiges Befriedigungsrecht“ einräumte (S. 211).
Nach einem kurzen Abschnitt über das Separationsrecht (Absonderungsrechte; S. 208ff.), das erstmalig im Codex von 1753 normiert wurde, folgt ein lesenswerter Vergleich mit der Insolvenzordnung (S. 213ff.). Allerdings wäre es von Interesse gewesen, wenn Jilek auch noch auf die Rangordnung in der Konkursordnung von 1877 eingegangen wäre, die das bayerische Konkurs- und Prioritätsrecht ablöste und über ein Jahrhundert auch für Bayern maßgebend war. Der nicht unerhebliche Einfluss Bayerns auf die Konkursordnung von 1877 ist bisher noch nicht näher untersucht worden. Das Werk wird abgeschlossen mit einer Zeittafel, der Abschrift eines Prioritätsurteils des Kreis- und Stadtgerichts München um 1819 und einem Überblick über das bayerische Gesetzgebungsverfahren nach der Verfassung von 1818. Insgesamt liegt mit dem Werk Jileks ein wichtiger Beitrag zur Gesetzgebungsgeschichte des bayerischen Konkursrechts zwischen 1578 und 1869 unter detaillierter Analyse der Bestimmungen über die Befriedigungsreihenfolge vor. Wünschenswert wäre eine ähnlich breit angelegte Untersuchung insbesondere über die Entwicklung des preußischen Konkurs- und Prioritätsrechts, das in der Fassung der Konkursordnung von 1855 die Reichskonkursordnung von 1877 stark beeinflusst hat (vgl. Thieme, Jürgen, Zur Entstehung der Konkursordnung, in: Einhundert Jahre Konkursordnung 1877-1977, Köln 1977, S. 35ff.)
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