Huber, Florian, Hinter den Türen warten die Gespenster. Das deutsche Familiendrama der Nachkriegszeit. Berlin Verlag in der Piper Verlag GmbH, München/Berlin 2017. 348 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Der Mensch ist Individuum und Sozialwesen zugleich und erlebt dementsprechend individuell und sozial nebeneinander, ohne dass das soziale Erleben der Individuen identische Auswirkungen haben muss oder kann. Jeder sieht die Welt aus seiner Sicht und kann im Grunde nur sich selbst erklären. Folglich kann das Zusammentreffen der unterschiedlichen Vorstellungswelten die unterschiedlichsten Auswirkungen nach sich ziehen.
Mit einem typischen Geschehen der Nachkriegszeit in dem Deutschen Reich beschäftigt sich das vorliegende Werk des 1967 geborenen, nach einem Studium von Geschichte, Romanistik und Volkswirtschaft in München, Freiburg im Breisgau, Köln und Orlando mit einer Dissertation zur Besatzungspolitik Großbritanniens promovierten, journalistisch und seit 2007 auch filmerisch tätigen Verfassers, der 2014 durch das Buch „Kind, versprich mit, dass du dich erschießt“ hervorgetretenen Verfassers. Es gliedert sich nach einer editorischen Notiz und einem Vorwort in insgesamt neun Abschnitte. Sie betreffen eine zerrissene Welt, Reisen durch die Stunde eins, die Welt der Frauen, den Geruch nach Zukunft, die Welt der Männer, den Aufstand in dem Land der Angepassten, die Welt der Kinder, ein Gespenst namens Jugend und die Kisten der Pandora.
Im Kern geht es auf der Grundlage von Tagebüchern, Briefen, Erinnerungen und mündlichen Berichten aus den ersten 15 Jahren nach dem zweiten Weltkrieg und Erinnerungen der Kriegskinder und Enkel um einen Kriegsheimkehrer, der als Soldat manches tat, was im zivilen Leben strafbar war, um eine Mutter, welche die Abwesenheit des Vaters zu verarbeiten hatte, und zwei Kinder, die sich den unterschiedlichen Welten der Erwachsenen stellen mussten. Exemplarisch verarbeitet der Verfasser vielfaches tatsächliches Geschehen zu einem grundsätzlichem Handlungsablauf, in dem die menschlichen Eigenheiten und Schwächen der Älteren als Schlüssel für das Verhalten und Urteilen der Jüngeren gesehen werden. Die darin eingebundene Problematik lässt sich zwar an der jüngeren deutschen Geschichte spannend festmachen, reicht aber letztlich weit darüber hinaus, weil eben im Grunde jeder sich und seine Handlungen nur selbst am ehesten verstehen kann.
Innsbruck Gerhard Köbler