Horowski, Leonhard, Das Europa der Könige. Macht und Spiel an den Höfen des 17. und 18. Jahrhunderts. Rowohlt, Reinbek 2017. 1119 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Der König ist in den Anfängen Roms wie wohl auch bei vielen Germanenstämmen der durch Zugehörigkeit zu einem mächtigen Geschlecht ausgezeichnete Anführer des Volkes, ohne dass die Entstehung des Königtums quellenmäßig einigermaßen abgesichert werden kann. Im Mittelalter und der frühen Neuzeit setzt der König sich in Europa weitgehend durch. Spätestens seit der französíschen Revolution des Jahres 1789 ist jedoch seine tatsächliche politische Macht geschwunden, selbst wenn in Großbritannien, Norwegen, Schweden, Dänemark, den Niederlanden oder Spanien der König auch in der Gegenwart formal noch an der Spitze des Staates steht.

 

Mit Macht und Spiel an den Höfen der Könige in Europa im 17. und 18. Jahrhundert beschäftigt sich das voluminöse Werk des 1972 geborenen, in Berlin und Durham in Geschichte, Anglistik und Politik ausgebildeten, 2003 an der Technischen Universität Berlin mit einer Dissertation über die Belagerung des Thrones (Machtstrukturen und Karrieremechanismen an dem Hof Frankreichs zwischen 1661 und 1789) promovierten Verfassers, der nach dem Umschlag derzeit an einer Habilitationsschrift über brandenburg-preußische Staatsminister arbeitet. Gegliedert ist das vorliegende Werk nach einer kurzen Vorbemerkung in 20 Kapitel.  Sie betreffen Rheinberg am 27. Juli 1642, Saint-Germain-en-Laye am 28. Juni 1665, den Genfer See vor Versoix am 26. April 1674, Pignerol am 24. Februar 1676, Berlin am 15. November 1684, London am 20. Dezember 1688, Königsberg am 24. Mai 1690, Oranienburg am 4. Juni 1700, Malplaquet am 10. September 1709, Marly am 5. Mai 1710, das Gebirge zwischen Jadraque und Atienza am 24. Dezember 1714, Paris am 25. März 1719, Versailles am 5. April 1725, Crossen an der Oder am 11. Januar 1733, Kensington Palace am 6. November 1735, Prag am 26. November 1741, Warschau am 7. September 1764, Neapel am 6. April 1769, Roissy am 13. Dezember 1785 sowie Berlin, Neapel und Paris zwischen 1797 und 1799.

 

Sachlich geht es nach der Vorbemerkung um die Eigenartigkeit des Europa der Könige, in dem etwa der kein Englisch sprechende König Englands auf die Idee kommen konnte, die Pläne eines kein Spanisch sprechenden Königs Spaniens zu durchkreuzen, indem er dem kein Polnisch sprechenden König Polens anbot, König von Sizilien zu werden. Dementsprechend lauten die Kapitelüberschriften etwa ein polnischer Prinz, dessen Namen ich vergessen habe, Grumkow tanzt, Saint-Simon zieht um, Georg II. mag seine dicke Venus viel lieber als all die anderen oder beginnt es schon, das Weltgericht? In diesem losen Rahmen werden bis zu dem Tode des letzten Königs Frankreichs im englischen Schloss Claremont am 26. August 1850 zahllose auffällige oder merkwürdige Geschehnisse an den europäischen Höfen des späten 17. Jahrhunderts und des 18. Jahrhunderts zu einem bunten, durch ein Verzeichnis von Titeln, Hofämtern, Quellen und Literatur sowie vielleicht 1500 Personen abgerundeten, um einige Abbildungen bereicherten Strauß zusammengeflochten, dem möglichst viele neugierige, vor allem an faszinierend fremden und doch seltsam vertruten Auffälligkeiten interessierte Leser zu wünschen sind.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler