Garfield, Simon, Zeitfieber. Warum die Stunde nicht überall gleich schlägt, die innere Uhr täuschen kann und Beethoven aus dem Takt gerät, aus dem Englischen von Fündling, Jörg. Theiss, Darmstadt 2017. 375 S., Abb. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Zeit ist eine dem Menschen und seinem Universum von dem unbegreiflichen Urknall an anscheinend als eine Grundbedingung vorgegeben, der er sich, so sehr er dies auch immer möchte, von seinem Beginn an nicht entziehen kann. Dessenungeachtet oder vielleicht auch gerade deswegen setzt er sich mit ihr gedanklich auseinander. Eine Lösung von ihr scheint jenseits des individuellen Todes nicht möglich.

 

Der in London 1960 geborene Verfasser des vorliegenden Werkes, das auf dem Titelblatt die digitale Anzeige 11.59.60 mit zwei Zeigern auf schätzungsweise 28 Minuten nach drei Uhr verknüpft, besuchte die University College School in Hampstead in London  und die London School of Economics, wo er wo er The Beaver herausgab, bis er in den freien Journalismus wechselte. 1994 trat er mit dem Ende der Unschuld in der Zeit  von Aids in Großbritannien hervor. Weitere Gegenstände seiner vielfältigen Interessen waren Fonts, Schriften und Karten.

 

Seine einfallsreichen, von Anya Serota angeregten Betrachtungen über das Schlagen der Zeit, die innere Uhr und Beethoven umfassen zwischen der Einleitung über früh und spät und dem Epilog über die Demutsuhr fünfzehn Kapitel.  Sie betreffen den Zufall der Zeit, den Umgang der Franzosen mit dem Kalender, die Erfindung des Fahrplans der Eisenbahn, das Beet der Neunten, Moses, die Filmzeit, das Machen einer Uhr, Roger Bannisters Kreislauf, Vietnam, Napalm und Mädchen, die Tagschicht, den Verkauf der Zeit, die Erdbeersaison, das kurze Leben und die lange Kunst, das Verlangsamen der Welt und das Britische Museum. Insgesamt will der Verfasser mit vielen bunten, mit einem Sturz von einem Fahrrad und seinen Folgen einsetzenden Beispielen vor Augen führen, wie in dem Laufe der letzten 250 Jahre die Zeit unter den zivilisierten Menschen zu einer dominanten Kraft geworden ist, und die Frage stellen, ob wir alle völlig durchgeknallt sind, obwohl er sich am Ende selbst die Frage stellen muss, wer von uns der Aufgabe gewachsen wäre, aus der Stadt zu gehen und wie (vor 250 Jahren) die Felder zu pflügen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler