Busam, Kristina, Kriegsfolgenbewältigung in der Rechtsprechung. Der Umgang mit kriegsbedingt veränderten Umständen in der Zivilrechtsjudikatur des Landgerichts Bonn nach dem zweiten Weltkrieg (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 93). Mohr Siebeck, Tübingen 2017. XI, 331 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Jeder Krieg als gewaltsame Auseinandersetzung mehrerer bedeutsamer Beteiligter endet grundsätzlich mit einem Sieg einer Seite und der Niederlage der anderen Seite und entsprechenden Folgen öffentlichrechtlicher Art. Daneben hat er in der Regel auch ungünstige Auswirkungen auf unbeteiligte Dritte. Sie können zivilrechtliche Rechtsstreitigkeiten auslösen.
Mit einem einzelnen Aspekt dieser allgemeinen Problematik beschäftigt sich die in dem Rahmen des Forschungsverbunds Justiz im Systemwechsel bzw. Justiz im Krieg von Hans-Peter Haferkamp angeregte und betreute sowie scheinbar kaum endende, im Winter 2015/2016 von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Köln angenommene, für die Drucklegung geringfügig überarbeitete Dissertation der 1982 geborenen, an der Universität Straßburg in der französischen Sprache und danach in Köln in Rechtswissenschaft ausgebildeten, als wissenschaftliche Mitarbeiterin ihres Betreuers tätigen Verfasserin. Sie gliedert sich nach einer Einleitung über Fragestellung und Forschungsstand sowie Quellen und Aufbau in zwei Kapitel. Diese betreffen Gesetz und Wirklichkeit nach 1945 und auf den Seiten 83 bis 293 weit mehr als 100 Entscheidungen des Landgerichts Bonn und vergleichbar viele Entscheidungen von mehr als 50 weiteren Gerichten von Arnsberg bis zu dem (späteren) Bundesgerichtshof im Lichte von Warenmangel und Währungskrise.
Im ansprechenden Gesamtergebnis gelangt die Verfasserin zu einem großflächigen Bild von Orientierungslosigkeit und Rechtsunsicherheit bei grundsätzlicher Bereitschaft des Verlassens bekannter und des Beschreitens neuer dogmatischer Wege während der drei unmittelbaren Nachkriegsjahre bis zu der Währungsreform, wofür nach den überzeugenden Einsichten der Bearbeiterin verschleierte Wirtschaftsverhältnisse, der Mangel eines obersten Revisionsgerichts und das Fehlen angemessener Rechtsetzung ursächlich waren bzw. sind. In diesem Rahmen scheuten sich die zuständigen Richter nicht, die auf die zu entscheidenden Sachverhalte ausstrahlenden Kriegsfolgen nach dem Umschwung in der politisch-ideologischen Werteordnung offen in den Urteilsbegründungen dazulegen, gelangten aber nicht zu umfassender Rechtsfortbildung. Ihre unter Berücksichtigung von § 242 BGB getroffenen Entscheidungen waren einzelfallbezogen, so dass sie keine Rechtssicherheit bewirken konnten.
Innsbruck Gerhard Köbler