Werz, Katharina, Der Schauprozess im 20. Jahrhundert in Deutschland. Begriff, Funktion und Struktur anhand ausgewählter Beispiele. (= Berliner Juristische Universitätsschriften, Grundlagen des Rechts 58). Berliner Wissenschafts-Verlag. Berlin 2016. 327 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Mit dem Schauprozess soll der Angeklagte vor der Allgemeinheit öffentlich zur Schau gestellt werden. Mit dieser bewussten Zielsetzung unterscheidet sich diese Öffentlichkeit von der allgemeinen Öffentlichkeit grundsätzlich aller Gerichtsverfahren. Hieraus erwächst auf der Grundlage des für jedermann geltenden Gleichheitssatzes ein rechtsstaatliches Problem.
Mit ihm beschäftigt sich die von Reinhard Singer betreute, an der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin angenommene Dissertation der von ihrem Betreuer während ihrer gesamten universitären Laufbahn geförderten Verfasserin. Sie gliedert sich außer einer Einleitung über die vielseitige Verwendung des Begriffes Schauprozess und die Fragestellung sowie abgewogene Schlussfolgerungen klar in zwei Teile. Zunächst betrachtet die Verfasserin den Schauprozess im Allgemeinen und beschreibt ihn dabei in Abgrenzung zur politischen Justiz und zum politischen Prozess als einen Strafprozess, bei dem eine gelenkte Judikative in dem Rahmen eines diktierten, inszenierten Handlungsablaufs unter Verletzung des Rechtsstaatsprinzips vor ausgesuchtem Publikum den Angeklagten zu einer unverhältnismäßigen Strafe verurteilt, während durch Propagandamaßnahmen die Öffentlichkeit genutzt wird, um bei der Bevölkerung eine bestimmte politische Wirkung hervorzurufen.
Im Anschluss hieran untersucht die Verfasserin in einem besonderen Teil in einer Auswahl sieben einzelne in Betracht kommende Verfahren. Für die Zeit der Weimarer Republik sind dies der Rathenau-Prozess von 1922, für die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in dem Deutschen Reich der Reichstagsbrandprozess von 1933 und der Prozess gegen die Attentäter (!) des 20. Juli 1944, für die Deutsche Demokratische Republik der Prozess gegen den Untersuchungsausschuss freiheitlicher Juristen (1952) und das Devisenverfahren gegen Robert Havemann (1979) sowie für die Bundesrepublik Deutschland der Stammheim-Prozess (1975-1977) und das Verfahren gegen den Nationalen Verteidigungsrat (1992-1993). Im Ergebnis prognostiziert die gelungene wie misslungene Schauprozesse verwertende Verfasserin für das 21. Jahrhundert, dass politische Prozesse zunehmend mit einer medialen Macht konfrontiert werden, deren Einfluss auf die Justiz größer bzw. anders sein könnte als der Einfluss der staatlichen Macht, so dass sie ansprechend Zweifel daran äußert, inwiefern der Schauprozess in der Zukunft noch ein brauchbares Mittel zwecks Durchsetzung politischer Ziele sein kann und fragt weiterführend, inwiefern sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Nachweis politisch motivierter Verfolgung als brauchbar erweisen wird.
Innsbruck Gerhard Köbler