Ulrichs, Cord, Die Entstehung der fränkischen Reichsritterschaft. Entwicklungslinien von 1370 bis 1590 (= Forschungen zur deutschen Rechtsgeschichte 31). Böhlau, Wien 2016. 633 S.

 

Der Reichsritter ist in dem Heiligen römischen Reich der dem Reich unmittelbar verbundene Ritter, der dem König oder Kaiser ohne Vermittlung unterstellt ist und damit keiner Landeshoheit unterliegt, aber wegen der Zahl und des geringen Gewichts in dem Reichstag nicht vertreten ist. Er erscheint seit dem Spätmittelalter, organisiert sich seit 1540 in drei 1577 vereinigen Ritterkreisen Schwaben, Franken und Rhein mit 14 Kantonen und muss 1802/1803/1805 die Mediatisierung von etwa 1730 Rittergütern mit rund 450000 Einwohnern in den umgebenden Ländern bzw. Staaten hinnehmen. Wegen der großen Zahl der Reichsritter und ihrer verhältnismäßig geringen Bedeutung sind sie in ihrer Gesamtheit noch nicht vollkommen erforscht, so dass jede sie betreffende Studie sehr zu begrüßen ist.

 

Das vorliegende, gewichtige Werk ist die seit 1995 neben einer Berufstätigkeit als Richter an dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen angefertigte, von Dietmar Willoweit betreute und von der juristischen Fakultät der Universität Würzburg angenommene rechtswissenschaftliche Dissertation, des in Lemgo 1970 geborenen, ab 1990 in Würzburg in Rechtswissenschaft und Geschichte ausgebildeten, bereits 1997 durch eine von Rolf Sprandel betreute sozialgeschichtliche Dissertation über den fränkischen Niederadel („Vom Lehnhof zur Reichsritterschaft“) hervorgetretenen, seit 2013 als Richter an dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster tätigen Verfassers. Es gliedert sich nach einer kurzen Einführung über die Reichsritterschaft in der Literatur des 17. bis 20. Jahrhunderts in zwei zeitlich geordnete Teile. Sie betreffen zum einen Organisationsformen der fränkischen Ritterschaft in dem ausgehenden Mittelalter und zum anderen die Entwicklung zur freien Reichsritterschaft, die der Verfasser nach der Gründung des Schwäbischen Bundes (1488) mit dem Konflikt um den gemeinen Pfennig von 1495 beginnen lässt.

 

Im überzeugenden Ergebnis des Verfassers erwächst die fränkische Reichsritterschaft aus der Erstarrung der älteren Beziehungen zu den Fürsten und aus der Aufnahme neuer Beziehungen zu dem (König bzw.) Kaiser unter Entwicklung  von sechs Orten als neuer Organisationsformen. In dem Verhältnis zu den Fürsten blieben Vasallität  und Dienstvertrag sowie das Nebeneinander der Herrschaftsrechte in den Dörfern bestehen. In dem Verhältnis zu dem Kaiser entstanden demgegenüber neue Rechtsbeziehungen bei der Bewilligung von Geldhilfen im Kampf gegen die Türken, wofür der Kaiser Schutzmandate gab, und bei der Religion.

 

Im Rahmen dieser Entwicklung verfolgt der Verfasser zum einen den Wandel der Organisationsformen von den Adelsgesellschaften des späten 14. Jahrhunderts über Einungen des Stiftsadels des Hochstifts Würzburg in dem 15. Jahrhundert bis zu den Kantonen des 16. Jahrhunderts.  Daneben betrachtet er die zunehmenden Spannungen zwischen Fürsten und Rittern  auf Grund der Verdichtung der Herrschaft der Fürsten in Gerichtsbarkeit, Lehnswesen, Steuererhebung und religiöser Reformation. Ihre einleuchtende Folge ist drittens die Hinwendung der von den Fürsten bedrängten Ritter zu dem Kaiser und dem Reich, auf Grund deren die Ritter zu Reichsrittern aufsteigen.

 

Abgerundet wird die beeindruckende Leistung des Verfassers durch einen Anhang mit der Ordnung der fränkischen Ritterschaft zur Abwehr des gemeinen Pfennigs, die Beschlüsse des Ortes Rhön/Werra zur Abwehr der Reichsanlage und Listen der Beteiligten. Dem folgen auf den Seiten 600 bis 619 ein Personenverzeichnis von Abensberg bis Zufraß, auf den Seiten 620 bis 624 ein Ortsverzeichnis und auf den Seiten 625 bis 631 ein Sachverzeichnis von Adelstag bis Zutrinken. Wer immer sich künftig mit der Reichsritterschaft in Franken befassen wird, kann die Leistung des Verfassers als bestmögliche Grundlage verwenden.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler