Schieffer, Rudolf, Die ältesten Judengemeinden in Deutschland (= Nordrhein-Westfälische Akademie der Wissenschaften und der Künste – Vorträge – Geisteswissenschaften 450). Schoeningh, Paderborn 2015. 34 S. Besprochen von Hans-Michael Empell.

 

Diese kleine Publikation gibt einen Vortrag wieder, den der Verfasser am 4. 2. 2015 auf der 560. Sitzung der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste (Düsseldorf) gehalten hat. Ergänzt wird der Vortrag durch Verzeichnisse der historischen Quellen und der ausgewerteten Literatur sowie durch die Anmerkungen.

 

Zunächst stellt der Verfasser die spezifischen Schwierigkeiten dar, die sich dem Forscher bieten, der die Geschichte und damit vor allem: die Verbreitung, der Juden im mittelalterlichen Deutschland untersucht. Sie ergeben sich nicht nur aus einer dürftigen Quellenlage, sondern auch daraus, dass zahlreiche theologische und kirchliche Quellen zwar häufig auf Juden Bezug nehmen, damit aber nicht ohne Weiteres ortsansässige Juden oder gar auf Konflikte mit ihnen ansprechen. „Die theologische Allgegenwart der Juden darf eben nicht mit ihrer physischen Präsenz verwechselt werden“ (S. 7).

 

Sodann zeichnet der Autor ein Gesamtbild der Verbreitung der Juden im mittelalterlichen Deutschland. Unmittelbar vor dem ersten Kreuzzug im Jahre 1096 kam es an vielen Orten zur Verfolgung und Ermordung von Juden; dazu liegen zahlreiche Quellen vor. Erwähnt werden: Köln, Trier, Metz, Mainz, Worms, Speyer und andere, auch kleinere Orte. Hier muss es also schon vor 1096 jüdische Gemeinden gegeben haben. Ein weiterer Blick zurück zeigt, dass bereits 893 in Metz eine jüdische Gemeinde existierte. Im Übrigen herrscht Unklarheit darüber, wo und seit wann Juden in Deutschland ansässig waren.

 

Im Folgenden wendet sich der Verfasser zwei Sonderfällen zu, und das heißt zunächst: Aachen, wo zur Zeit Karls des Großen um 800 im Umfeld des Hofes Juden gelebt haben; sodann: Köln. Eine Anordnung Kaiser Konstantins (11. 12. 321) zeigt, dass schon damals eine Judengemeinde in Köln existierte. Ob eine Kontinuität von der spätantiken Gemeinde ins Mittelalter führt, ist in der Forschung umstritten. Der Autor setzt sich mit der These auseinander, wonach die mittelalterliche Kölner Synagoge auf den Grundmauern eines älteren jüdischen Gotteshauses aus konstantinischer Zeit gestanden habe, so dass geschlossen werden könne, in Köln habe es von der Spätantike bis ins Mittelalter eine jüdische Gemeinde gegeben. Der Verfasser nimmt dazu ablehnend Stellung.

 

Schließlich plädiert der Autor dafür, ein Museum der jüdischen Geschichte Kölns zu errichten – jedoch „nicht belastet (…) durch einen lokalpatriotisch aufgeladenen Ursprungsmythos, der außerhalb Köln wenig Überzeugungskraft zu entfalten vermag.“ (S. 20)

 

Der Vortrag ist gut geeignet, in die Geschichte der Verbreitung der Juden im mittelalterlichen Deutschland einzuführen. Trotz einer Fülle von Details bleibt die Darstellung übersichtlich. Sie vermittelt nicht nur Grundlagenkenntnisse, sondern gibt auch Einblick in spannende, aktuelle Diskussionen. Die Lektüre ist sehr zu empfehlen.

 

Heidelberg                                                     Hans-Michael Empell