Muhle, Susanne, Auftrag Menschenraub. Entführungen von Westberlinern und Bundesbürgern durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (= Analysen und Dokumente 42). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2015. 670 S., 12 Abb., 4 Tab. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Dem Menschen eignet wohl von Anfang an eine natürliche Aggressivität, die sich auf seine Mitmenschen auswirken kann, wie bereits die biblische Schilderung von Kain und Abel veranschaulicht. Dementsprechend lassen bereits die ältesten Rechtsquellen Tötung und Verletzung von Menschen durch Menschen erkennen. Seit der Bildung der Staaten haben auch sie sich diese zunächst nur individuelle Handlungsweise bis zur Gegenwart an vielen Orten zu eigen gemacht.
Ein besonderer Fall dieses Verhaltens sind die etwa 400 mittels Täuschungen wie Überfällen verwirklichten Entführungen von teilweise für immer verschwundenen Westberlinern und Bundesbürgern durch das Ministerium für Staatssicherheit der früheren Deutschen Demokratischen Republik seit ihrer Entstehung 1949, mit denen sich die als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Stiftung Berliner Mauer tätige Verfasserin in ihrer von Hans-UlrichThamer betreuten, an der Universität Münster angenommenen Dissertation beschäftigt. Sie hat unmittelbar nach ihrem Erscheinen das besondere Interesse eines sachkundigen Rezensenten erweckt. Da der Verlag leider kein Rezensionsexemplar des gewichtigen Buches zur Verfügung stellen konnte, muss es mit wenigen Hinweisen des sich noch deutlich selbst an das auf dem Umschlag abgebildete Hinweisschild erinnernden Herausgebers sein Bewenden haben.
Gegliedert ist die beeindruckende Untersuchung nach einer Einleitung und einem Prolog in zwei etwa gleich umfangreiche Teile. Sie betreffen auf der Grundlage umfangreicher ausgewählter Quellen die Entführungspraxis der Ministeriums für Staatssicherheit und ihre Folgen sowie die schätzungsweise etwa 500, zu einem Zehntel näher betrachteten, vielfach vorbestraften Entführer im Auftrag des Ministeriums, von denen manche in Eigeninitiative sogar die geplanten, im Übrigen durchaus kostspieligen Maßnahmen des Ministeriums für Staatssicherheit übertrafen. Ein mehr als 100 Namen umfassendes Personenverzeichnis von Ackern bis Zaisser schließt die weiterführenden Einsichten nach den beteiligten Tätern und Opfern auf beiden Seiten leserfreundlich auf.
Innsbruck Gerhard Köbler