Lohmann, Ulrich, Zur Staats- und Rechtsordnung der DDR. Juristische und sozialwissenschaftliche Beiträge 1977-1996. Springer, Wiesbaden 2015. 414 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik wurden 1949 von den drei westlichen Besatzungsmächten und der sowjetischen Besatzungsmacht nebeneinander und auch im Wettbewerb zueinander geschaffen. Beide hielten sich jeweils für die bessere Alternative. Vierzig Jahre lang war der Ausgang dieser vielfältigen Auseinandersetzungen weitgehend offen, bis sich 1989 die wirtschaftliche Grundlage der Deutschen Demokratischen Republik als einigermaßen hohl und veraltet erwies und unter den Nachwirkungen der Konferenz für Sicherheit und Entspannung in Europa ihre Bewohner sich mehrheitlich für die freie Marktwirtschaft entschieden.

 

Wer diese langjährigen Geschehnisse  bewusst miterlebte, konnte sich während dieser Zeit stets zur wissenschaftlichen Begleitung veranlasst oder verpflichtet verstehen. Auf diese Weise konnte ein Gesamtwerk mit vielfältigen Facetten geschaffen werden. Gerade auch nach dem Untergang der Deutschen Demokratischen Republik verdienen diese wertvollen  Zeitzeugnisse als Einheit uneingeschränkte Beachtung.

 

Gegliedert sind die zwischen 1977 und 1996 geschaffenen Untersuchungen des Verfassers in zehn Abschnitte, die auf der Grundlage einer zusammenfassenden Rückschau über die Deutsche Demokratische Republik die Staats- und Rechtstheorie, die Menschenrechte, das Staatsrecht, das Zivil- und Familienrecht, das Arbeitsrecht, das Sozialrecht, das Strafrecht, den Rechtsschutz sowie bezüglich des wissenschaftlichen Ansatzes Systematik, Methode und Intention der Sozialwissenschaften und der Rechtswissenschaft betreffen. Nach einem Verzeichnis der Erstveröffentlichungen der ansprechenden Studien und weiterer einschlägiger Veröffentlichungen versucht ein aktuelles Nachwort unter der Frage sozialistischer Rechtsstaat, Unrechtsstaat  oder …? eine Charakterisierung von Staat und Recht in der Deutschen Demokratischen Republik. Überzeugend sieht dabei der Verfasser selbst den eigenen Anspruch der Deutschen Demokratischen Republik auf sozialistische Rechtsstaatlichkeit als verfehlt an, weil sie ihr Ziel einer grundsätzlich flächendeckenden Gesetzgebung für das öffentliche Leben  bewusst nicht umsetzte, so dass die Betroffenen  grundsätzlich nur Bittsteller waren und nicht auch Rechtssubjekte.

 

Umgekehrt kann und will der Verfasser wegen vorhandener Rechtselemente die Deutsche Demokratische Republik auch nicht als Unrechtsstaat einstufen. Dementsprechend sieht er die geistigen und gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen auch nach dem Wegfall des ideologischen Gegensatzes zwischen Osten und Westen seit 1989 weitergehen. Deswegen verbleibt für ihn am Ende nur die Notwendigkeit, eine möglichst argumentative, rationale und kritische Reflexion und Diskussion mit offenem Ausgang innerhalb der eigenen Gesellschaft und zwischen verschiedenen Kulturen weiterzuführen.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler