Döge, Melanie, Der Entwurf eines Handelsgesetzbuches für die Stadt Frankfurt am Main von 1811, Band 1 Entstehen, Inhalt und Wirkung, Band 2 Text und Materialien. Winter, Heidelberg 2016. XIV, 276 S., IV, 142 S. Besprochen von Werner Schubert.
Die Gesetzgebungsgeschichte der Rheinbundzeit ist immer noch nicht vollständig erschlossen, wie das Werk Melanie Döges über den Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Stadt Frankfurt am Main von 1811 zeigt. Döge behandelt in Band 1 ihres Werkes zunächst die Entstehung, den Inhalt und Wirkung des HGB-Entwurfs und ediert in Band 2 den Text des Entwurfs. Im ersten Teil des ersten Bandes geht es zunächst um die Errichtung und die Verfassung des Großherzogtums Frankfurt und im Anschluss daran um die weiteren napoleonischen Modellstaaten, das Königreich Westphalen und das Großherzogtum Berg, die beide das französische Recht in größerem Umfang übernommen haben als das Großherzogtum Frankfurt. Insbesondere hat dieses zwar den Code Napoléon eingeführt, jedoch nur mit nicht unerheblichen Modifikationen. In noch größerem Umfang gilt dies für das französische Zivilprozessrecht. Der Code de commerce wurde im Großherzogtum Berg sowie in den linksrheinischen und hanseatischen Departementen eingeführt (S. 33ff.). 1808 erteilte der Fürstprimas v. Dalberg als Großherzog den Auftrag, die Einführung des Code de commerce von 1807 für die Stadt Frankfurt zu begutachten. Die Gutachten und Stellungnahmen sprachen sich teils gegen, teils sehr zurückhaltend für eine (teilweise) Übernahme des Code de commerce aus (S. 43ff.). Die Frankfurter Handelskammer überreichte 1811 der Generalkommission des Großherzogtums als Erledigung des Gutachtenauftrags den Entwurf eines Handelsgesetzbuchs für die Stadt Frankfurt am Main. Der Entwurf stammte von dem damaligen Rechtskonsulenten der Handelskammer Stadtgerichtsrat Fritz Schlosser in Zusammenarbeit mit einem Sachverständigenausschuss der Handelskammer (S. 46ff.). Berücksichtigt wurde bei den Entwurfsarbeiten außer dem Code de commerce auch der Frankfurter Entwurf einer Wechsel- und Merkantilordnung von 1800 (S. 38ff.). Der für die Zwecke einer breiteren Diskussion gedruckte Entwurf scheiterte aus nicht mehr feststellbaren Gründen. Erst 1844 bekam Frankfurt eine Wechselordnung, bei deren Ausarbeitung man auch den Entwurf von 1811 berücksichtigte.
In Teil 2 des ersten Bandes analysiert Döge nach einem Überblick über das Frankfurter Handelsrecht im Alten Reich die Konzeption und die allgemeinen Vorschriften sowie einzelne Teile des HGB-Entwurfs (Handelsgesellschaften, Handelsgeschäfte, Wechselrecht und weitere wertpapierrechtliche Vorschriften; S. 73-141) insbesondere unter Einbeziehung der einschlägigen Bestimmungen des ersten Buches des Code de commerce. Mit seinen 451 Paragraphen ist der Entwurf allerdings mehr als doppelt so umfangreich wie das erste Buch des Code de commerce mit seinen 189 Bestimmungen. Anstelle des objektiven Systems des Code de commerce liegt dem insgesamt „nüchternen und ideologiefernen Entwurf“ grundsätzlich ein subjektives System zugrunde. Das Wechselrecht des Entwurfs beruhte auf einem eigenen Konzept Schlossers. Nicht im HGB-Entwurf von 1811 berücksichtigt waren u. a. das Schifffahrtsrecht, der Unternehmenskonkurs und das handelsrechtliche Verfahrensrecht, die sämtlich im Code de commerce geregelt waren. Im vierten Teil der Monografie geht Döge der weiteren Entwicklung nach; insbesondere weist sie hin auf die Frankfurter Wechselordnung von 1844, die alsbald durch die Allgemeine Deutsche Wechselordnung von 1848 ersetzt wurde. Im Abschnitt über die Einordnung des Entwurfs arbeitet Döge heraus, dass es sich beim HGB-Entwurf von 1811 nicht um einen vollen legal transplant, sondern um einen Mischtypus handelt, bei dem das französische Recht unter Berücksichtigung eigener Traditionen übernommen werden sollte (S. 216 ff., 226 ff.).
Band 2 des Werkes bringt den Entwurf von 1811 einschließlich der Einleitung Schlossers (S. 13ff., 23ff.). Hilfreich wäre es noch gewesen, wenn Döge bei den einzelnen Bestimmungen nachgewiesen hätte, wie weit diese auf parallelen Artikeln des Code de commerce ganz oder teilweise beruhen. Insgesamt liegt mit dem Werk Melanie Döges ein weiterer wichtiger Baustein zur Rezeption bzw. geplanter Übernahmen des französischen Handelsrechts vor, wozu eine umfassende Monografie noch immer aussteht.
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Werner Schubert |