Die Causa Christian Wolff – Ein epochemachender Skandal und seine Hintergründe, hg. v. Pecar, Andreas/Zaunstöck, Holger/Müller-Bahlke, Thomas (= Kleine Schriftenreihe der Franckeschen Stiftungen 15). Verlag der Franckeschen Stiftungen, Halle/Saale 2015, 115 S., 21 Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Zu einer Kabinettausstellung um die ‚Causa Christian Wolff‘ liegt in der anzuzeigenden Schrift ein reich illustriertes Begleitheft vor, in dem kurz gefasst der Streit, der im 18. Jahrhundert die wissenschaftliche Welt berührte, beschrieben ist. Der Streit wird gern als ein Angriff des in Halle bedeutsamen Pietismus gegen Andersdenkende und als ein unverständlicher Eingriff eines Landesherren in die Autonomie einer Universität dargestellt. Unter Heranziehung verschiedener zeitgenössischer Drucke und Briefe gewinnt der Streit in dieser Schrift aber einen anderen Schwerpunkt. Der Mathematiker Wolff, Angehöriger der philosophischen Fakultät, der sich, Fachgrenzen überschreitend, Gedanken der Metaphysik zugewandt hatte, machte damit den Fachkollegen der (höheren) theologischen Fakultät das Thema ihrer Wirksamkeit streitig und beeinträchtigte ihren Rang und ihre Ehre. Der Streit eskalierte, als Wolff bei Übergabe des von ihm wahr genommenen Prorektorats im Juli 1723 über die praktische Philosophie der Chinesen sprach und damit die versammelte Professoren- und Studentenschaft provozierte.  Dazu kam, dass Wolff im September 1723 seinen Schüler, Ludwig Philipp Thümmig, zum außerordentlichen Professor der Philosophie beförderte. Als amtierender Prorektor hatte Wolff sich dabei der Unterstützung der preußischen Regierung versichert, jedoch lehnte die gesamte Fakultät die Beförderung ab. Die theologische Fakultät unternahm verschiedene Versuche die Regierung von der Gefährlichkeit der Lehren Wolffs zu überzeugen. In einer außerordentlich sorgfältigen Untersuchung ließ sich die Regierung überzeugen, dass Wolff zur maßgeblichen Fakultät in erheblichem Widerspruch stand. Nachdem auch von seiten der Studentenschaft Anzeichen kamen, dass es an der Universität Unruhen geben könnte, verpflichtete König Friedrich Wilhelm I. mit Edikt vom 8. 11. 1723 Wolff binnen 48 Stunden Halle und alle königlichen Lande zu verlassen, die Beförderung Thümmings wurde ebenso mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Für die Angehörigen der theologischen Fakultät war damit überzeuigend nachgewiesen, dass sie den besseren Kontakt zum König hatten. Wolff erhielt das Edikt am 12. 11. 1723 und wechselte schon an diesem Tage in das kursächsische Dorf Passendorf. Von dort reiste er über Jena nach Marburg, wo er bis 1740 lehrte. Als der nachfolgende König, Friedrich II., den Thron bestieg, übertrug er Wolff unverzüglich in Halle eine aufs Beste ausgestattete Professur mit vollständiger Lehrfreiheit.

 

Neu-Ulm                                                                                                       Ulrich-Dieter Oppitz