KöblerDereinflussderkanonistik5wirtschaft2060914 Nr. 16193 ZIER 6 (2016) 02. IT

 

 

Der Einfluss der Kanonistik auf die europäische Rechtskultur, Band 5 Recht der Wirtschaft, hg. v. Mayenburg, David von/Schmoeckel, Mathias/Condorelli, Orazio/Roumy, Franck (= Norm und Struktur 37,5). Böhlau, Köln 2016. 488 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.

 

Der Mensch wirtschaftet seit seinen Anfängen. Dabei ging es in den ersten Zeiten um den bloßen eigenen unmittelbaren Erhalt von Tag zu Tag, welcher der Umwelt zu entnehmen war. Später traten der Vorrat für schwierige Zeiten und noch später die Anhäufung von Vermögen als Selbstzweck hinzu.

 

Dass dieser zunehmend in den Vordergrund tretende Bereich nicht auf Dauer rechtsfrei bleiben konnte, versteht sich angesichts der Gemengelage menschlicher Interessen eigentlich von selbst. Schon der Besitz war auf Dauer nicht nur mit Gewalt zu erlangen und zu verteidigen, sondern bedurfte bereits früh rechtlicher Ausgestaltung. Ein eigenes Recht der Wirtschaft als besonderes Wirtschaftsrecht hat sich allerdings erst verhältnismäßig spät neben öffentlichem Recht und privatem Recht, neben Staatsrecht, Verwaltungsrecht, Verfahrensrecht, Strafrecht, Personenrecht, Sachenrecht, Schuldrecht, Familienrecht und Erbrecht ausgebildet.

 

Neben der Wirtschaft hat sich auch bereits früh die Religion entwickelt. Für große Teile der Welt ist dabei das von Jesus Christus gestiftete Christentum bedeutsam geworden. Es kennt einen gerechten und am Ende urteilenden Gott, für den neben der Gnade auch das dem Vorbild des Rechtes der Römer folgende Recht der Kirche Gewicht hat.

 

Dass die hieraus im Laufe der Jahrtausende entwickelte Kanonistik das Leben der Christen nach ihren Vorstellungen mitgestalten will, versteht sich von selbst. Deswegen war das Kirchenrecht in der europäischen Geschichte lange Zeit von sehr großer Bedeutung, die allerdings im Zuge der Trennung von Staat und Kirche an Gewicht verloren hat. Dessenungeachtet ist es ein wichtiges wissenschaftliches Anliegen, den Einfluss der Kanonistik auf die europäische Rechtskultur in der Geschichte aufzuspüren und darzulegen.

 

Vor allem Mathias Schmoeckel hat sich diesem Ziel in den letzten Jahren, unterstützt von vielen sachkundigen und interessierten Kollegen mit eindrucksvollem Erfolg gewidmet. Dementsprechend sind seit 2009 Sammelbände über das Zivilrecht und Zivilprozessrecht, das öffentliche Recht, das Strafrecht und Strafprozessrecht und das Prozessrecht entstanden, über deren systematische Abgrenzung sich freilich diskutieren lässt. Im Zuge des schönen Erfolges schließt sich dem nunmehr das Recht der Wirtschaft an, das allerdings von den bisher behandelten Gebieten wie Zivilrecht, öffentlichem Recht, Prozessrecht und  Strafrecht nicht leicht sauber zu trennen ist.

 

Der vorliegende Sammelband gibt die Referate der fünften Tagung der Arbeitsgruppe in Herborn vom 26. bis 29. März 2015 wieder, die durch David von Mayenburg mit Hilfe der Fritz Thyssen Stiftung und der Universität Paris II ausgerichtet wurde. Er enthält insgesamt 18 vielfältige Studien. Sie beginnen mit dem Lehenswesen, betreffen etwa das Interesse, die Stiftung, das Armenwesen, Benedikt XIV., Reichtum und Armut, die Vermögensaufgabe, den Eid und das englische Handelsrecht, den Eigennutz in dem Vertrag, die Verteilung kirchlicher Abgaben, die Prostituierten, das Ehegüterrecht, den Verbraucherschutz, die Arbeit oder das Steuerrecht. Ein Index der Sachen, der Personen und der Rechtsquellen schließt den wohlgelungenen, um eine Abbildung der Tagungsteilnehmer bereicherten Band, dem zum Abschluss der Reihe noch ein sechster Band zu dem Einfluss der Kanonistik im Völkerrecht folgen soll, benutzerfreundlich auf.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler