Arpád Göncz – Ungarischer Freiheitskämpfer und Staatspräsident, hg. v. Süssmuth, Hans (= Freiheitskämpfer aus Mittel- und Osteuropa Band 1). düsseldorf university press, Düsseldorf 2013. 140 S., Abb. Besprochen von Albrecht Götz von Olenhusen.

 

Schlüsselbotschaften, biografische und politische, und Schwerpunkte des ungarischen Freiheitskämpfers und Staatspräsidenten Arpád Gönzc, bislang teilweise nur auf Ungarisch und Englisch verfügbar, stehen im Mittelpunkt dieser Edition Hans Süssmuths (Düsseldorf). Der Schriftsteller Göncz tritt uns hier als erfahrener und eindrucksvoller politischer Rhetoriker entgegen, dessen bildhafte oft sehr persönlich gehaltene Sprache des humanitären, freiheitlich-demokratischen Sozialismus nie eines Ghostwriters bedurfte. Der Herausgeber hat wechselvolle Biografie, geschichtliche Erfahrung in den Revolutionen und Umbrüchen von 1956 und 1989, Gefängnis und Wiederaufstieg zum Staatspräsidenten, politische Macht und Moral und die Transformationsprozesse„in Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur“ als Marksteine verwendet. Aus vielen der mit großem Bedacht ausgewählten Texte spricht das unverwüstlich optimistische, durch bittere Erfahrungen und kluge Reflektion gespeiste Selbstbewusstsein des Schriftsteller-Politikers, der sich der Doppelexistenz und der Ambivalenzen namentlich in Zeiten der Unterdrückung und Zensur mehr als bewusst ist, ja, dem seine Vita in seiner historisch geprägten Existenz durch die Omnipräsenz von Vergangenheit und Gegenwart im ihrem Verlauf als „grotesk und surreal“ erscheint (S.48).

 

Der Biografie dieses oppositionellen „man of letters“ in der „verdichteten Zeit der Ungarischen Revolutionen“ und auf den politischen Foren ist das politische Portrait „im Kontext“ gewidmet (Hans Süssmuth, S. 10-35). So wie Göncz – nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis – seit 1965 als Schriftsteller und bedeutender Übersetzer ( u. a.Thomas Wolfe, Faulkner, Hemingway, Updike, Lowry, Tolkien) durch das Wort wirkte, so wurde eben auch das Wort zu einer „Machtressource“ in der Zeit seiner zehnjährigen Präsidentschaft von 1990 bis 2000,in der er neue Einsichten und Visionen in aktuelle Politik zu „übersetzen“, zu verwandeln verstand.  Im „Medienkrieg“ auf der Seite der Meinungsfreiheit, als ausgleichender Faktor für Checks und Balances der jungen Demokratie, als moralische Instanz und als „Vater der Nation“ wahrgenommen, ist Göncz für Süssmuth, der profunde Kenner der Transformationsprozesse in Ostmitteleuropa, ein vorbildlicher Oppositioneller in der Ära der Gewaltherrschaft, ein patriotischer Ungar in den Traditionen des liberalen demokratisch-sozialistischen Europas und ein Vorkämpfer für das Wohl eines Volkes, das „nach Wahrheit in der Politik dürstet“. Seine Vorbilder sind István Bibó, Sándor Petöfi, Graf Szechenyi .In der geglückten Mischung aus kontexualisierter biografischer Darstellung und bescheidenem Selbstportrait in Ansprachen und „nicht gehaltenen Reden“ tritt die charaktervolle integre Persönlichkeit des Menschen, des Schriftstellers und Politikers hervor. Und es gehört auch zu seinem grotesken und surrealen Lebenslauf, wenn er, der den „Nachschub an Propheten“ versiegen sieht, im gleichen Atemzuge mit ironischen Paradoxien den Wandel als „Säbelrasseln der Epochen“, aber mit „Pappschwertern“, betrachtet und dennoch die wagemutige Antwort bereit hält: „Es kann nur gut ausgehen. Ich bin von vornherein optimistisch...“ - und sei es mit ungeschriebenen Antworten.

 

Freiburg im Breisgau/Düsseldorf                                          Albrecht Götz von Olenhusen