Wesel, Uwe, Fast alles, was Recht ist. Jura für Nicht-Juristen, 9. Aufl. Beck, München 2014. XII, 522 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Fast alles, was möglich ist in Jura oder für einen Juristen hat Uwe Wesel, 1933 in Hamburg geboren, 1953 das Studium der klassischen Philologie aufnehmend und von Bruno Snell empfohlen, trotz schlechter Zensuren in der ersten juristischen Staatsprüfung des Jahres 1961 in seinem bisherigen vielfältigen Leben erreicht. Vielleicht brachte ihm dabei bereits seine 1965 unter der Betreuung Wolfgang Kunkels in München verfasste Dissertation die Erkenntnis, dass der Rechtskundige vor allem auch als Redekundiger Erfolg erzielen kann. Jedenfalls wurde er schon im Jahre nach seiner Habilitation über die dingliche Wirkung der Rücktrittsvorbehalte des römischen Kaufes 1969 ordentlicher Professor an der Freien Universität Berlin und umgehend Vizepräsident, behandelte dort nach den Worten Jürgen Kaubs kommunistische Studenten als Studenten und nicht als Kommunisten, trug weiße Hemden mit verdeckten Knopfleisten und vertrat den Traum der Liberalen von der Entbehrlichkeit einer Zentralgewalt und den Traum der Linken vom Staat als Beschützer der Schwachen.

 

In dieser Lage war die Wissenschaft des römischen Rechts naturgemäß zu eng. Deswegen wandte sich Wesel 1980 dem Mythos vom Matriarchat zu, versuchte 1981 Aufklärungen über Recht und stieß 1984 bei Suhrkamp das Tor der juristischen Weltkunde auf, das binnen 16 Jahren acht Auflagen erfuhr. Anschließend widmete er sich 1985 weit über das römische Recht zurückgreifend den Frühformen des Rechts in vorstaatlichen Gesellschaften (Suhrkamp) und 1989 dem ambivalenten Verhältnis von Recht und Gewalt (Kursbuch), in dem das Recht die Gewalt anderer ablehnen muss, aber selbst ohne Gewalt ohne Erfolg bleibt.

 

Vielleicht an dieser Stelle entdeckte er das weitere Betätigungsfeld von Jura für Nichtjuristen und schrieb 1992 sein zumindest von der Auflagenzahl her bisher erfolgreichstes Werk.  Nach dem kurzen Vorwort der vorliegenden neunten Auflage, nach dem aller guten Dinge drei sind, sollte das von Hans Magnus Enzensberger sehr sorgfältig lektorierte Buch vertragsgemäß in Nördlingen bei Franz Greno erscheinen, doch gab es diesen Verlag bei Fertigstellung schon nicht mehr. Also erschien es bis 2007 mit acht Auflagen (Erstauflage 427 Seiten, 2004 Taschenbuch bei Piper, 2007 Lizenausgabe der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft) bei Eichborn in Frankfurt am Main, wo auch der Honecker-Prozess des Jahres 1994 verlegt wurde, bis dieser Verlag ebenfalls (durch Verkauf zum 1. November 2011 an die Bastei Lübbe GmbH & Co. KG zumindest für den Autor) verschwand.

 

1997 fand dann Uwe Wesels Geschichte des Rechts – von den Frühformen bis zum Vertrag von Maastricht den Weg zu Beck in München. Nach seinen eigenen Worten ist dies nicht die schlechteste Adresse für juristische Literatur. Seitdem sind Verlag und Autor durch beiderseitiges Interesse am Erfolg so eng vertraut, dass sogar die neueste Unternehmensgeschichte des Jahres 2013 der Verantwortung des Verfassers übertragen wurde.

 

Die neue Auflage ist im schwarzgoldenen Gewand auf den Stand der Mitte des Jahres 2014 gebracht. Zu dem bisherigen Grundgerüst sind im Verfassungsrecht das Computergrundrecht, die US-Plage NSA, die Vorratsdatenspeicherung und das Google-Urteil des Europäischen Gerichtshofs gekommen, dazu noch die neue Entwicklung von Volksabstimmungen in den Bundesländern seit der staatlichen Einheit der Deutschen im Jahre 1990, im Privatrecht die eingetragene Lebenspartnerschaft und die Stärkung von Rechten nichtehelicher Väter, im Verwaltungsrecht die Deregulierung und das informelle Verwaltungshandeln. Am Ende des sechsten Kapitels ist eine Skizze des Internetrechts, nach dem sechsten Kapitel ein siebentes Kapitel über das Europarecht eingefügt.

 

Gegliedert ist das Werk demgemäß nun in neun Kapitel, die damit beginnen, dass alle Sprachgewalt vom Volke ausgeht. Es folgen Verfassungsrecht bzw. Staatsrecht, Privatrecht, Strafrecht, Verwaltungsrecht, außerdem noch (Gerichtsverfassungsrecht, Prozessrecht, freiwillige Gerichtsbarkeit, Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Wertpapierrecht, Versicherungsrecht, Urheberrecht, gewerblicher Rechtsschutz, Wettbewerbsrecht, Kartellrecht, Jugendstrafrecht, Kriminologie, Strafvollzugsrecht, Sozialrecht, Steuerrecht, Kirchenrecht, Völkerrecht, Europarecht, internationales Privatrecht, Rechtsvergleichung, Rechtsphilosophie, Rechtssoziologie, Rechtsgeschichte, Internetrecht, Vertragsrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Strafrecht), Europarecht, Arbeitsrecht und schließlich Recht und Gerechtigkeit (Creifelds, Aristoteles, Römer, Grotius, Hobbes, Kant, Hegel, Weber, Kelsen, Luhmann, Rawls, Radbruch). Daran zeigt sich, dass der Autor im Rahmen des verfügbaren Raumes hält, was er dem Leser im Titel verspricht. Prosit.

 

Mit dieser Interjektion endet das Vorwort. „Das ist Latein und heißt auf deutsch, es möge nützen“, erklärt der studierte Philologe und erfolgreiche juristische Autor seinem Publikum. Möge ihm und seiner einnehmenden, unbekümmerten, erfolgerhoffenden Rhetorik im Zuge zusätzlichen Aufstiegs zum Olymp zum Wohle aller weitere umfangreiche Leserschaft aus dem angesprochenen Kreise von Nichtjuristen beschieden sein.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler