Warnke, Martin, Zeitgenossenschaft. Zum Auschwitz-Prozess 1964, vorgestellt v. Schneider, Pablo/Welzel, Barbara. diaphanes, Zürich 2014. 128 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Auschwitz ist der Ort eines Konzentrationslagers in der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft im Deutschen Reich, in dem unter dem im April 1947 auf dem Lagergelände gehängten Kommandanten Rudolf Höß mehr als 500000 Menschen getötet wurden. Seit Dezember 1963 wurden in der Bundesrepublik Deutschland Strafverfahren wegen dort verübter Straftaten durchgeführt, in denen 22 Angeklagte zu Haftstrafen verurteilt und drei Angeklagte freigesprochen wurden.

 

Martin Warnke wurde in Ijuí in Brasilien am 12. Oktober 1937als Sohn eines später nach Deutschland zurückgekehrten Pfarrers geboren, studierte Kunstgeschichte, Geschichte und Germanistik in München, Madrid und ab 1958 in Berlin, wurde an der Freien Universität in Berlin bei Hans Kauffmann 1963 mit einer Dissertation über Kommentare zu Rubens promoviert und 1970 mit der Schrift Organisation der Hofkunst habilitiert. Ab 1971 lehrte er Kunstgeschichte in Marburg und ab 1979 in Hamburg, wo er 2003 emeritiert wurde. Vom 7. April 1964 bis zum 29. Mai 1964 verfasste er – nach seiner Promotion noch ohne Anstellung – als Nachfolger des ihm aus Berlin bekannten. einige Zeit bei der Stuttgarter Zeitung tätigen späteren Psychoanalytikers Tilmann Moser als Siebenundzwanzigjähriger für die Stuttgarter Zeitung Prozessberichte zur Beweisaufnahme im Auschwitzprozess, die im vorliegenden schmalen Band auf den Seiten 17-53 erneut und dabei erstmals zusammenhängend veröffentlicht sind.

 

Den nüchternen Prozessberichten ist eine Einführung der Herausgeber vorangestellt. Angeschlossen sind eine eindringliche Betrachtung Norbert Freis über die Aufklärer und die Überlebenden sowie ein mit Abbildungen versehenes, autobiographische Züge in Fragen und Antworten einbeziehendes Gespräch Martin Warnkes mit Birgit Franke, Pablo Schneider und Barbara Welzel. Auf diese Weise entsteht eine eindrucksvolle Verbindung zwischen Berichten über nationalsozialistische Straftaten und Überlegungen zu einer politischen Ikonographie der Kunst.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler