Vollmer, Walter, Montanmitbestimmung und Unternehmenskultur während der Bergbaukrise 1957 bis 1968 (= Veröffentlichungen des Instituts für soziale Bewegungen, Schriftenreihe A Darstellungen, Band 56). Klartext, Essen 2013. 309 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Mit der Entwicklung der Arbeitsdifferenzierung in der menschlichen Gesellschaft haben sich Unternehmerpersönlichkeiten herausgebildet, die im Laufe der Neuzeit als Kapitalisten den Arbeitnehmern gegenübergetreten sind. Ihre wirtschaftliche Macht und ihr persönlicher Reichtum haben als Ausgleich auch einen Ruf nach Teilhabe und Mitbestimmung ausgelöst, der allerdings nach Ausweis des Deutschen Rechtswörterbuch noch keinen Eingang in die ältere deutsche Rechtssprache gefunden hat. Vielmehr sieht es bis jetzt so aus, als wäre trotz der fakultativen  Einführung von Arbeiterausschüssen im privaten und der obligatorischen Einführung im staatlichen Bergbau durch die Berggesetznovelle Preußens vom 24. Juni 1889 selbst das Wort Mitbestimmung erst im 20. Jahrhundert entwickelt worden.

 

Die sich mit der besonderen Montanmitbestimmung während der Krisenjahre zwischen 1957 und 1968 beschäftigende vorliegende Untersuchung ist die von Klaus Tenfelde bis zu seinem unerwarteten Tode wenige Tage nach Abschluss und Vorlage der Studie betreute, im Mai 2012 von der Fakultät für Geschichtswissenschaft der Universität Bochum angenommene, durch die Hans-Böckler-Stiftung geförderte Dissertation des Verfassers. Sie gliedert sich nach einer kurzen Einleitung in vier Kapitel. Sie betreffen die Traditionen der Mitbestimmung von den historischen Wurzeln im 19. Jahrhundert bis zu den Mitbestimmungsgesetzen von 1952 und 1976, die Strategie der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie in der Krise, Fallstudien (Zeche Adolf von Hansemann, Krupp-Zechen Helene und Amalie, die Bergwerksgesellschaft Dahlbusch AG und die Steinkohlenbergwerk Mansfeld GmbH) und das Konfliktregelungspotenzial.

 

Die besondere Herausforderung für die Montanmitbestimmung ergab sich aus der technischen Entwicklung der jüngeren Vergangenheit, in der Kostenfragen und Umweltprobleme die Abkehr von fossilen Brennstoffen und damit eine Schließung von Bergwerken zumindest zeitweise sehr nahelegten. Der Verfasser kann in seiner gründlichen Untersuchung zeigen, wie einzelne Entscheidungsprozesse zwischen den Beteiligten  in den Bergbauunternehmen abliefen, in denen grundsätzliche Parität festgelegt war. Sie führten im Ergebnis dazu, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu einer Konfliktpartnerschaft fanden, mit deren Hilfe sie unter notwendiger Einbeziehung der Allgemeinheit die Folgen des unvermeidlichen Belegschaftsabbaus so sozialverträglich wie möglich meistern konnten.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler