Vogel, Rainer, Familiennamen in der Altvaterregion. Entstehung, Entwicklung und Bedeutung der Personennamen im Fürstentum Jägerndorf und in der Herrschaft Freudenthal (ehemals Österreichisch-Schlesien) (= Philologica – Sprachwissenschaftliche Forschungsergebnisse 190). Kovač, Hamburg 2014. 706 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Mit der Zunahme der Menschen erwuchsen vermehrte Bedürfnisse zu individuellen Kennzeichnung innerhalb der Gesellschaft, die schon im Altertum die Mehrnamigkeit des Einzelnen nach dem Muster des Gaius Julius Caesar bewirkten. Demgegenüber genügte bei den gleichzeitigen Germanen wie im Frühmittelalter anscheinend ein einziger, wenn auch meist aus mehreren Wörtern zusammengesetzter Name wie Merowech oder Chlodwig. Wohl seit dem 10. Jahrhundert reichte allmählich aber auch im entstehenden deutschen Reich der überkommene Namensschatz zur Individualisierung nicht mehr aus, so dass ausgehend von den Städten dem Namen ein weiterer Name (der Familie) hinzugefügt wurde, der außerhalb der näheren sozialen Umgebung mehr und mehr den ursprünglichen Namen in den Hintergrund drängte und ihn vor allem seit dem 14. Jahrhundert zum bloßen Vornamen herabsinken ließ.

 

Eine vollständige Liste aller deutschen Familiennamen samt ihrer Entstehungsgeschichte liegt trotz umfangreicher Bemühungen zahlloser Namensforscher auch in der Gegenwart noch nicht vor, weil das zu verwertende Material unüberschaubar ist. Umso wichtiger und erfreulicher sind lokale Einzelstudien, die in einem überschaubaren Rahmen nach größtmöglicher Vollständigkeit und Gewissheit streben. Die hierher gehörige, von Albrecht Greule betreute Untersuchung wurde 2013 von der Fakultät für Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaft der Universität Regensburg unter dem Titel Familiennamen in den Habsburger Landen. Studien zu den Personennamen in habsburgisch-schlesischen Urbaren und karolinischen Katastern des 16. bis 19. Jahrhunderts als Dissertation angenommen.

 

Sie gliedert sich insgesamt in 12 Abschnitte über Ausgangsbasis, Ziele, Methoden sowie Erwartungshypothesen, das Untersuchungsgebiet, Datenerfassung und Auswertung, sprachwissenschaftliche Auswertung der Namen von Juden, Beinamen und Familiennamen im 16. Jahrhundert im Areal A – Seifersdorf, Vergleich der Entwicklung der Beinamen bzw. Familiennamen zwischen der Zunftgasse in der Stadt Jägerndorf und den Dörfern Friedersdorf und Seifersdorf, Beinamen und Familiennamen im Areal B Vogelseifen u. s. w., Vergleich zwischen der Stadt Freudenthal und umliegenden Orten, Region im Vergleich der Areale A und B, Zusammenfassung und Nachwort. Insgesamt führt die Betrachtung der deutschen (wie auch slawischen) Familiennamen der Orte Friedersdorf, Seifersdorf, Jägerndorf, Alt Vogelseifen, Lichtewerden, Dittersdorf am Kirchberg und Freudenthal (einschließlich der ortsansässigen Juden) zwischen 1531 und 1945 zu zahlreichen, in 32 Punkten zusammengefassten neuen Erkenntnissen (z. B. Übergang von Einnamigkeit zu Zweinamigkeit und von Beinamen zu Familiennamen kurz nach 1550, Erstrangigkeit von Berufsnamen, Ortsnamen und Herkunftsnamen vor Personennamen und Übernamen u. s. w.), denen ähnliche Untersuchungen für andere Orte und Gebiete in möglichst großer Zahl mit dem Ziel eines durch umfangreiche Register erschlossenen oder elektronisch durchsuchbaren Gesamtbilds aller deutschen Familiennamen bzw. Namen folgen sollten.

 

Innsbruck                                           Gerhard Köbler