Sturm, Fritz, Das preußische Allgemeine Landrecht. Geist und Ausstrahlung einer großen Kodifikation (= Schriftenreihe des rechtshistorischen Museums Karlsruhe 30). Verlag der Gesellschaft für rechtshistorische Dokumentation, Karlsruhe 2014. 109 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das in Preußen zum 1. Juni 1794 in Kraft gesetzte Allgemeine Landrecht ist wohl das bisher umfangreichste deutsche Gesetz überhaupt. Trotz dieser Spitzenstellung ist ihm zu keiner Zeit uneingeschränkte Anerkennung zu Teil geworden. Dies dürfte seine wichtigste Ursache in der gesamten Entwicklung des deutschen Rechtes haben, die erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einer verhältnismäßigen Einheit gefunden hat.

 

Umso verdienstvoller ist es, wenn sich ein ausgezeichneter Sachkenner an hervorgehobener Stelle um eine angemessene Gesamtwürdigung für die Gegenwart bemühen kann. Fritz Sturm ist dies anlässlich des 200. Jahrestags des Inkrafttretens des Allgemeinen Landrechts dadurch gelungen, dass er am 22. Juni 1994 als langjähriges Mitglied des Vereins Rechtshistorisches Museum e. V., Karlsruhe, seine Einsichten im vollbesetzten Vortragssaal der Badischen Landesbibliothek vortragen und danach in Lausanne, Konstanz, Köln und Paris wiederholen konnte.  Zwanzig Jahre später kann dieser Vortrag erfreulicherweise in gedruckter Form, deutlich erweitert, mit umfangreichen vertiefenden Anmerkungen und veranschaulichenden Abbildungen versehen, der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.

 

Die mit der Abhandlung Friedrichs des Großen in der preußischen Akademie der Wissenschaften vom 22. Januar 1750 (Sur les raisons d’établir ou d’abroger les lois) einsetzende Darstellung gliedert sich insgesamt in 22 Abschnitte mit vielfältigen neuen Erkenntnissen. Sie betreffen Friedrich den Großen und sein Verhältnis zum Gesetz, die Justizreformen Coccejis, erste Entwürfe eines Allgemeinen Gesetzbuchs, drei böse Feeen (Johann Christoph Woellner, Adolph Heinrich Albrecht Leopold Freiherr von Danckelmann, Friedrich Carl von Savigny), die zweite Teilung Polens (Januar 1793), den Weg vom Allgemeinen Gesetzbuch zum Allgemeinen Landrecht, die Entzauberung des Romanisten Savigny durch den Romanisten Sturm, die Zielgeraden des Gesetzes, die subsidiäre Geltung und Suspension, die Sprache, den Erziehungsgedanken mit der Erziehungspflicht, die Sachgegenstände Frauen, soziale Fürsorge, Strafrecht, Polizeirecht, Glaubens- und Gewissensfreiheit, Juden, Menschenrechte und Freiheit sowie am Ende Fortgeltung, Nachwirkung und Ausstrahlung als iuris lumen. Insgesamt sieht die im Text Fortwirken und Ausstrahlung besonders berücksichtigende, im Anmerkungsapparat nicht nur einen Fundstellennachweis bietende, sondern weiterführende Erläuterungen enthaltende und damit einen vollständigen Überblick über den neusten Forschungsstand gebende Darlegung trotz aller zeitbedingten Schwächen im Allgemeinen Landrecht überzeugend einen Lichtpunkt oder Glanzpunkt der deutschen und europäischen Rechtsgeschichte, eine Großtat preußischer Praktiker und eine Huldigung an den großen Geist Friedrichs II. von Preußen, auf die Deutschland trotz der bösen Feeen auch heute noch stolz sein darf.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler