Stolleis, Michael,
Öffentliches Recht in Deutschland. Eine Einführung in seine Geschichte 16.-21.
Jahrhundert. Beck, München 2014. 229 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das die Allgemeinheit im Gegensatz zum Einzelnen betreffende
Recht ist im Laufe der Zeit aus bescheidenen Anfängen heraus zu
unüberschaubarer Größe gewachsen. Allein ihre umfassende Durchmusterung auf
einem abgegrenzten Raum erfordert ungewöhnlichen Mut, einen langen Atem,
herausragende Kraft und optimale Rahmenbedingungen. Demgemäß ist, wer auf der
Grundlage der ersten akademischen Erfahrungen sich einem derartigen ungewissen
Unternehmen ungeachtet aller möglichen Widrigkeiten des Lebens verschreibt,
uneingeschränkt zu bewundern, wenn er gegen Ende aller Bürden das ins Auge
gefasste Ziel tatsächlich erreicht und damit alle Ansprüche vor allem gegen
sich selbst erfolgreich einzulösen vermocht hat.
Da jeder Weg neue Erfahrungen mit sich bringen wird, kann
auch der erreichte Abschluss einer 1988
im ersten Band der Öffentlichkeit vorgelegten Darstellung im Jahre 2012 weitere
Einsichten bewirken und zusätzliche Räume eröffnen. Dementsprechend wendet
Michael Stolleis sich nach seinen der Wissenschaft bereiteten überreichen
Erkenntnisfrüchten nunmehr einer breiteren Schicht von Gesprächspartnern zu.
Nach seinem kurzen Vorwort hat er das Taschenbuch geschrieben, um den Inhalt
seiner großen Darstellung in vereinfachter Form zusammenzufassen und
Studienanfängern Zugang zu der ihn vor allem interessierenden Sphäre des
Rechtsdenkens zu eröffnen, die von Politik und Geschichte tief geprägt ist.
Gegliedert ist seine spannende, vorbildliche Darlegung in
zwanzig Abschnitte, die nach wichtigen Hinweisen zu Gegenstand und Methode mit
der Emanzipation vom römischen Recht und der Umstellung der Rechtsquellenlehre
des Verfassungsrechts einsetzen. Nach dem Überblick über Elemente des
entstehenden öffentlichen Rechts zum Beginn der von ihm abgegrenzten
Untersuchungsperiode betrachtet er in chronologischer Reihung Reichspublizistik,
Natur- und Völkerrecht, „gute Policey“, die Zeit zwischen französischer
Revolution und späterer Restauration, die Paulskirche von 1848, das zweite
deutsche Reich von 1871 und die frühe Industriegesellschaft, die Zeit der
Weimarer Republik, den nationalsozialistisch bestimmten Staat unter Adolf
Hitler, die Teilung des Deutschen Reiches am Ende des zweiten Weltkriegs und
die lange Jahre unwahrscheinliche Herstellung der deutschen Einheit, mit der in
die Gegenwart gelangt. Erfahrungsgesättigte Ausführungen zu Globalisierung und
Zukunft des bis zur Hälfte der Wirtschaftsleistung für sich beanspruchenden
Staates und weise Schlussbemerkungen runden das jedem Interessierten
uneingeschränkt zu empfehlende Kernstück ebenso hilfreich ab wie die
beigegebenen Literaturhinweise und die Register von Abendroth über Ernst
Forsthoff, Adolf Hitler und Carl Schmitt bis zu Zwingli und von Absolutismus
bis zu Zweikammersystem.
Innsbruck Gerhard Köbler