Stamm, Volker,
Grundbesitz in einer spätmittelalterlichen Marktgemeinde. Land und Leute in
Gries bei Bozen (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte
Beiheft 222). Steiner, Stuttgart 2012. 135 S., Abb. Besprochen von Gerhard
Köbler.
Nur wenige Schritte, so beginnt der Verfasser seine kurze
Vorbemerkung, führen aus der geschäftigen, geschäftstüchtigen Altstadt Bozens
heraus und hin zur Talfer, dann über die Talferbrücke, vorbei an dem anmaßenden
Siegesdenkmal aus faschistischer Zeit, dessen lateinische Inschrift verkündet,
dass hier die Grenze der Zivilisation verlaufe, durch die monumentale
Freiheitsstraße bis zu der anderen Welt des dörflichen Ambiente des Grieser
Platzes am Kloster Muri-Gries. Mit ihr vor allem befasst sich die im Übrigen
nicht konkreter eingeordnete schlanke Untersuchung des Verfassers. Sie zeigt
als kritisches Ergebnis sorgfältiger Quellenstudien, dass sich diese dörfliche
Welt bereits früh wirtschaftlichen Veränderungen aufgeschlossen zu haben
scheint.
Gegliedert ist das interessante Werk nach einer
Einleitung über die Fragwürdigkeit der Grundherrschaft im ausgehenden
Mittelalter in drei Teile, die mit der Marktgemeinde Gries, dem Urbarbesitz des
Heilig-Geist-Spitals von Bozen (von 1420 mit mehr als 80 Bezugsrechten in Gries
im Wertee von etwa 180 Mark), dem Urbarbesitz der Marienpfarrkirche Bozen und
der Pfarrkirche Gries beginnen. Es folgen im zweiten Teil Grundeigentum und
Rechte der Landesherrschaft Tirol, die Bistümer Brixen und Trient, die Klöster
Neustift bei Brixen und Stams und bayerischer Kirchenbesitz (Freisings und
Schäftlarns) im Bozner Raum. Den Beschluss bilden bürgerliche Urbare und ein
Blick über die Urbare hinaus.
Im Ergebnis erkennt der Verfasser ansprechend eine
Weiterentwicklung eines älteren Modells, die vom städtischen Erwerbsleben und
von dessen Rationalität geprägt ist. Ihr geht es weniger um Herrschaft über
andere und mehr um Möglichkeiten, Geld durch Anlage zu sichern und zu mehren,
während die Landesherrschaft, die Bistümer und die bayerischen Klöster
anscheinend stärker auf den Bestand sahen. Dementsprechend geht der Verfasser
auf der Grundlage seiner umsichtig durchgearbeiteten Quellen zusammenfassend von
der Grundherrschaft als einer in früheren Zeiten bestimmenden, sich aber mehr
und mehr auflösenden Gegebenheit aus, die allerdings nach den Worten Theodor
Bitteraufs keineswegs mit der Zeit überallhin übergegriffen und allmählich
alles, was zu ihr (als Besitz?) gehörte, in das Verhältnis strammster
Unterordnung gebeugt habe.
Innsbruck Gerhard Köbler