Siegl, Gerhard, Bergbauern im Nationalsozialismus. Die Berglandwirtschaft zwischen Agrarideologie und Kriegswirtschaft (= Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte 28). StudienVerlag, Innsbruck 2013. 339 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei verstand sich dem Namen nach als eine Partei der Arbeiter und nicht eigentlich der Bauern. Auf der Suche nach Wählern waren aber auch die Bauern höchst willkommen, weil sie mit den bloßen Händen wirkten, obgleich sie eigentlich selbständige, wenn auch meist ziemlich kleine  Unternehmen betrieben. Unter dem Schlagwort von Blut und Boden gelangten sie aber dennoch schließlich in den Mittelpunkt nationalsozialistischen Parteiinteresses.

 

Die besondere Stellung der Bergbauern untersucht in diesem Zusammenhang die von Franz Mathis langjährig betreute, im Jahre 2011 an der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Innsbruck angenommene geschichtswissenschaftliche Dissertation des in Innsbruck 1975 geborenen, seit 2008 als Universitätsassistent am Institut für Geschichtswissenschaften und europäische Ethnologie wirkenden Verfassers. Sie gliedert sich nach einer die Einbettung der nationalsozialistisch beherrschten Zeit in die Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts und das Verhältnis von Nationalsozialismus und österreichischer Geschichtsschreibung behandelnden Einleitung in sechs Kapitel. Dabei untersucht der Verfasser nach einem Überblick über den bisherigen Forschungsstand die strukturellen Bedingungen der Landwirtschaft nach der nationalsozialistischen Machtergreifung in Österreich im März 1938 mit der Schaffung einer besonderen Berglandabteilung, die Vereinnahmung der Landwirtschaft durch die Ideologie von Blut und Boden, die Sozialversicherung und die Einführung neuer Sozialleistungen, die landwirtschaftliche Entschuldung in Deutschland und Österreich sowie den Gemeinschaftsaufbau im Bergland.

 

Im Ergebnis stellt er in seinem etwa auf Anton Reinthaller, Walther Darré, Hans F. K. Günther, Hermann Wopfner oder Fritz Fahringer näher eingehenden, auch durch Ortsregister und Personenregister benutzerfreundlich aufgeschlossenen interessanten Werk fest, dass die geschichtswissenschaftliche Aufarbeitung der nationalsozialistischen Agrargeschichte lange Zeit vernachlässigt wurde. Nach seinen eigenen Erkenntnissen erlebten die Bergbauern während der kurzen Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft wirtschaftliche Förderung und politische Anerkennung in einem zuvor nicht gekanntem Maß, so dass die Bergbauern und auch die bergbäuerlichen Gemeinden in der Zeit der Blut und Boden-Ideologie theoretisch wie praktisch erheblich an Bedeutung gewannen, was sich nicht unerwartet auch auf ihre Sympathie gegenüber dem Nationalsozialismus auswirkte.. Zahlreiche in diesem Zusammenhang erlassene Bestimmungen, wie etwa das Reichsnährgesetz und die Reichsversicherungsordnung blieben auch nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft zumindest noch einige Jahre in Kraft wie auch sonstige ausgeprägte Kontinuitäten vom Verfasser ansprechend angenommen werden.

 

Innsbruck                                           Gerhard Köbler