Rechtssysteme im
Donauraum. Vernetzung und Transfer, hg. v. Bos, Ellen/Pócza, Kálmán (=
Andrássy Studien zur Europaforschung 10). Nomos, Baden-Baden 2014. 239 S. Besprochen
von Gerhard Köbler.
Die Ungarn sind ein gegen Ende des 9. Jahrhunderts aus Asien östlich des Urals in das Karpatenbecken der Donau gelangtes, finno-ugrisch sprechendes Volk, das nach der Niederlage gegen Otto I. in der Schlacht auf dem Lechfeld 955 östlich des deutschen Reiches inmitten von indogermanischen Nachfolgevölkern sesshaft wurde. Mit dem Übergang zum Christentum schloss es sich mehr und mehr in vielen Hinsichten an die umgebenden Nachbarn an. Über Jahrhunderte stand es unter der erst 1918 abgeschüttelten Herrschaft der Habsburger, so dass auch in der Gegenwart vielseitige Beziehungen innerhalb der Europäischen Union naheliegen, in deren Rahmen die Andrássy Universität in Budapest eine vorzügliche Stellung einnimmt.
An ihr wirkt seit 2004 als Professorin die in Politikwissenschaft, Publizistik, Kommunikationswissenschaft und Germanistik in Bochum ausgebildete und 1991 promovierte sowie in München im Jahre 2000 habilitierte Herausgeberin, die seit 2009 die dortige Doktorschule und das Donauinstitut leitet. An ihr promoviert wurde jedenfalls nach Studien in der Politikwissenschaft in Budapest, Tübingen und Düsseldorf 2013 auch Kálmán Pócza, der an der Pázmány Peter Katholischen Universität tätig ist. Gemeinsam fungieren sie als Herausgeber von 14 Beiträgen einer Konferenz an der Andrássy Universität im März 2013, die sich mit dem Rechtstransfer im Mittelalter und der frühen Neuzeit, mit dem Rechtstransfer durch Übersetzung in der österreich-ungarischen Donaumonarchie und mit Verfassungsmodellen des 19. und 20. Jahrhunderts und ihren Rezeptionen befassen.
Dabei beschäftigt sich der erste Teil beispielsweise mit den Strafrechtskodfikationen, der Rechtsstellung des Richters im Ofener Stadtrecht oder dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch von 1811/1812 im Lichte des aufgeklärten Naturrechts, greift aber auch bis zum Frühmittelalter zurück. Bei den Übersetzungen in dem mehrsprachigen Rechtsraum der Donaumonarchie steht das deutsche Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch samt seinen Einflüssen auf das Tschechische, das Serbische und das Kroatische sowie die ungarische Rechtsentwicklung im Mittelpunkt. Die Verfassungsmodelle beginnen nach allgemeineren theoretischen Aspekten mit dem britischen Parlamentarismus und enden im postsozialistischen Osteuropa, so dass insgesamt vielfältige neue Einsichten der Beziehungen der Ungarn zu ihren Nachbarn vorgestellt werden, die noch durch Register aufgeschlossen hätten werden können.
Innsbruck Gerhard Köbler