Rechtsgeschichte
heute. Religion und Politik in der Geschichte des Rechts - Schlaglichter einer
Ringvorlesung, hg. v. Jansen, Nils/Oestmann, Peter (= Grundlagen der
Rechtswissenschaft 22). 2014. XXIII, 209 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Geschichte des modernen Menschen ist grundsätzlich geprägt von seinem Streben nach besseren Lebensmöglichkeiten durch Gewinnung von Bedeutung, Anerkennung, Mitteln und letztlich auch Macht. Bei knappen Mitteln ist eine Verteilungsnotwendigkeit offensichtlich, was neben vielem anderem auch zu Exzellenzclustern geführt hat, die ihrerseits ihre Bedeutung, Anerkennung, Mittel und Macht regelmäßig bestätigen und wiedergewinnen müssen. Wohl dementsprechend fand im Sommersemester 2012 eine Ringvorlesung des Münsteraner Exzellenzclusters Religion und Politik in den Kulturen (der Vormoderne und der Moderne) mit dem naheliegenden allgemeinen Titel Religion – Recht – Politik statt. Nach der Einführung der Herausgeber ist beides (der Titel des vorliegenden Sammelbands und der Titel der seinerzeitigen Ringvorlesung) identisch, weshalb die damals gehaltenen Vorträge hier versammelt sind und Rechtsgeschichte heute im Sinne von Schlaglichtern von Religion und Politik in der Geschichte des Rechtes zu verstehen ist.
Der kurzen Einführung der Herausgeber folgen insgesamt 10 grundsätzlich chronologisch gereihte Referate, deren Ziel es auch sein soll, den Traditionsstrang der Nähe von Recht, Religion und Politik innerhalb eines europäischen Rahmens im Gedächtnis zu behalten. Sie beginnen in der Antike und enden im Vormärz. Sie betreffen vielfältige Orte und Gegenstände aus den jeweiligen Interessenfeldern der Referenten, die in der Einführung jeweils in ihren Kernen abgebildet sind.
Dabei widmet sich etwa Ulrike Babusiaux der Juristentaktik in der Severerzeit, behandelt Thomas Rüfner kanonisches Recht in Byzanz und Bologna, erörtert Andreas Thier Regelungsmodelle der mittelalterlichen Bischofsbestellung im Hinblick auf Richtigkeitsgewähr, Teilhabebefugnis und Verfahren und führt A. Mark Godfrey in das frühmoderne Schottland. Tilman Repgen prüft die Auswirkung nachträglich veränderter Umstände im Schuldverhältnis, Massimo Meccarelli die Rechtsmodernisierung durch die Theologen der Spätscholastik und Heikki Pihlajamäki das Strafrecht ohne Religion in frühneuzeitlichen protestantischen Ländern. Das frühneuzeitliche Testamentsrecht zwischen kirchlicher Seelsorge und herrschaftlicher Ordnungspolitik beschreibt Nils Jansen, das niedersächsische Bauernrecht zwischen Kirche und Staat Peter Oestmann und das Verhältnis von Christentum und Privatrecht im frühen 19. Jahrhundert Hans-Peter Haferkamp, so dass in der überzeugend begründeten disziplingebundenen Ringvorlesung die große Bedeutung von Religion und Politik für das Recht im Sinne eines vorzüglichen Überblicks auch über Methoden und Themen heutiger Rechtsgeschichte in ihrer gesamten disziplinären und epochalen Vielfalt dargestellt wird, wobei allerdings die traditionelle deutsche Rechtsgeschichte des Mittelalters ebenso wenig Gewicht hat wie die erst spät entstandene juristische Zeitgeschichte.
Innsbruck Gerhard Köbler