Plath, Uwe, Der Fall Servet und die Kontroversen um die Freiheit des Glaubens und Gewissens. Castellio, Calvin und Basel 1552-1556, hg. v. Stammler, Wolfgang (= Begleitband zur Bibliothek historischer Denkwürdigkeiten). Alcorde Verlag, 2014. 456 S., 44 Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Nach dem Vorwort des Herausgebers sind große Jahrestage seit jeher beliebte Anlässe, sich historischer Persönlichkeiten zu erinnern und sich ihrer Bedeutung für die Gegenwart zu vergewissern. Im Jahre 2009 war dies angesichts der 500. Wiederkehr des Geburtstags für den Reformator Johannes Calvin der Fall. Da über ihn wegen der Verbrennung Michael Servets in Genf am 27. Oktober 1553 als Ketzer Streit besteht, sollte eine wissenschaftliche, historisch fundierte Untersuchung hierüber entscheiden.

 

Sie lag bereits in der Form der Dissertation des in Neustettin in Pommern 1942 geborenen, in Ebstorf aufgewachsenen, nach dem Studium von Geschichte, Latein und evangelischer Theologie in Hamburg, Basel und Freiburg bei Werner Kaegi promovierten späteren Studiendirektors Uwe Plath vor. Da es bis heute nicht gelang, ihre Ergebnisse für die öffentliche Diskussion fruchtbar zu machen, halten Herausgeber und Verfasser die Zeit für gekommen, die Arbeit in leicht überarbeiteter Fassung noch einmal einem breiteren Publikum vorzustellen in der Überzeugung, damit klärend zu der Debatte um den Fall Servet beizutragen. Ein geeigneter Anlass schien dabei im Zuge der Wiederentdeckung Castellios dessen 500. Wiederkehr des Geburtstags im Jahre 2015.

 

Castellio hatte seinerzeit seinen Eindruck von dem Geschehenen in die Worte gefasst: Als die Genfer Servet töteten, haben sie nicht eine Lehre verteidigt, sondern einen Menschen getötet. Nach Uwe Plaths bibliophil nochmals präsentierter Untersuchung war die Verbrennung Servets dementsprechend kein Irrtum des Jahrhunderts, sondern ein Irrtum Calvins, hat kein einziges der damals in Genf eingetroffenen Gutachten die Todesstrafe für Servet gefordert und hat zwar der Genfer Rat das Todesurteil gefällt und damit nicht Calvin selbst, aber Calvin hat daran auf gewisse Weise mitgewirkt. So sehr insgesamt auch die jeweiligen zeitgenössischen Einzelumstände eines Geschehens stets zu bedenken sind, so wichtig sind auch für Gegenwart und Zukunft  überzeitliche, wenn auch kaum jemals sicher fassbare Grenzen zwischen Menschlichkeit und Unmenschlichkeit und der mahnende Hinweis auf sie.

 

Innsbruck                                           Gerhard Köbler