Manthe, Barbara, Richter in der nationalsozialistischen Kriegsgesellschaft. Beruflicher und privater Alltag von Richtern des Oberlandesgerichtsbezirks Köln 1939-1945. Mohr (Siebeck), Tübingen 2013. XII, 379 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Wirklichkeit kennt grundsätzlich nur, wer sie bewusst miterlebt und nicht vergessen hat. Weil dies aber jeden Einzelnen sehr stark einschränkt, hat der Mensch die Kommunikation, Thesaurierung und Aufarbeitung der Quellen entwickelt. Wie Richter in Köln die Jahre des zweiten Weltkriegs zwischen 1939 und 1945 erlebten, war dabei bisher eine Forschungslücke, welche die 1980 geborene Verfasserin durch ihre am 31. Oktober 2011 bei dem Historischen Seminar der Universität Köln eingereichte, von Margit Szöllösi-Janze betreute, von der Gerda-Henkel-Stiftung und der Friedrich-Ebert-Stiftung geförderte Dissertation bestmöglich zu schließen versucht.

 

Gegliedert ist die ansprechende Studie außer in eine Einleitung über Forschungsstand, Fragestellung, Ansatz und Methode, Quellenlage und Begriffe sowie Aufbau in vier Kapitel. In ihnen schildert die Autorin zunächst das Justizsystem und die Richterschaft nach 1933, stellt dann die Richter im Oberlandesgerichtsbezirk Köln zwischen 1933 und 1945 (1942 513 Richter, davon 48 am Oberlandesgericht, 166 an den Landgerichten und 299 an den Amtsgerichten) unter besonderer Berücksichtigung der Parteimitgliedschaft (nahezu alle Richter gehörten dm NSRB an, wenn auch meist nur formal) und des Parteienengagements vor und beschreibt schließlich den Bombenkrieg und den beruflichen und privaten Alltag. Das vierte Kapitel widmet sich den (12) abgeordneten Kölner Richtern im Generalgouvernement (Polen).

 

Im Ergebnis stellt die Verfasserin fest, dass die Richter als relevante Akteure in der nationalsozialistischen Kriegesgesellschaft handelten, aber weder als Motor der nationalsozialistischen Vernichtung fungierten noch als Berufsgruppe entscheidenden Einfluss auf die Politik der Führung hatten. Im beruflichen Alltag eigneten sich die Richter die Vorstellung der Volksgemeinschaft an, obwohl sie ihr im privaten Alltag kritisch gegenüber standen. Auf dieser gesicherten, durch ein Personenregister von Otto Adam bis Malte Zierenberg und ein Sachregister von Alter bis Zweigstellengericht abgerundeten Grundlage können weitere Arbeiten Antworten auf die Frage nach personellen und strukturellen Kontinuitäten und Diskontinuitäten nach dem Ende des zweiten Weltkriegs versuchen.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler