Kukowski, Martin/Boch, Rudolf, Kriegswirtschaft und Arbeitseinsatz bei der Auto Union AG Chemnitz im zweiten Weltkrieg. Steiner, Stuttgart 2014. 520 S.

 

Im Jahre 1928 übernahm der in Nakskov in Dänemark 1878 geborene, in Zwickau zum Ingenieur ausgebildete Jørgen Skafte Rasmussen, der seit 1904 in Chemnitz im Vertrieb von Maschinen und Apparaten aller Art tätig war und 1916 ohne großen Erfolg mit der Entwicklung eines Dampfkraftwagens (DKW) begonnen hatte, als Inhaber des größten Motorradherstellers der Welt (Zschopauer Motorenwerke J. S. Rasmussen AG) mit Krediten der Sächsischen Staatsbank die Mehrheit der Audiwerke in Zwickau. Da Rasmussen im Zuge der anschließenden Weltwirtschaftskrise aber in wirtschaftliche Schwierigkeiten geriet, plante er im Zusammenwirken mit der Sächsischen Staatsbank die Vereinigung der Zschopauer Motorenwerke J. S. Rasmussen AG mit Audi und der Horchwerke AG sowie der Wanderer-Werke in Schönau bei Chemnitz. Als Markenzeichen der am 29. Juni 1932 rückwirkend zum 1. November 1931 gegründeten Auto Union AG Chemnitz mit den Hauptaktionären Stadt Chemnitz und Sächsische Staatsbank (bzw. Sachsen, zunächst 75, dann 90 Prozent) wurden vier verschlungene Ringe für die vier verbundenen Unternehmen gewählt, wobei die beiden Aktiengesellschaften Horch und Audi aufgelöst und als Werke Horch bzw. Audi fortgeführt wurden.

 

Binnen zweier Jahre entwickelte sich die Auto Union AG Chemnitz, aus der Rasmussen rasch ausschied, unter dem in Cismar 1886 geborenen, als Elektriker und als Kaufmann ausgebildeten sowie 1930 durch die Sächsische Staatsbank als Beauftragter in den Vorstand der Zschopauer Motorenwerke J. S. Rasmussen AG entsandten Richard Bruhn zum zweitgrößten Personenkraftfahrzeughersteller (22 Prozent Marktanteil) des Deutschen Reiches hinter der Adam Opel AG (41 Prozent). Die Zahl der Beschäftigten wuchs zwischen 1932 und 1938 von 8000 auf 23000. Leiter der für den Werbewert des Unternehmens und damit für den Absatz besonders wirksamen Rennabteilung der Silberpfeile war von  1934 bis 1937 Ferdinand Porsche.

 

Mit der Geschichte des Unternehmens während der nationalsozialistischen Herrschaft befasst sich das vorliegende Werk der beiden Autoren, von denen Martin Kukowski 1991 in Marburg mit einer Dissertation über Pauperismus in Kurhessen promoviert worden war und bereits 2000 ein von Sachsen unterstütztes Findbuch Auto Union AG und 2003 eine Untersuchung über die Chemnitzer Auto Union AG und die ‚Demokratisierung‘ der Wirtschaft in der sowjetischen Besatzungszone von 1945 bis 1948 veröffentlicht hatte. Auf Grund zahlreicher ungedruckter Quellen können beide zeigen, dass die Audi Union AG, ohne ein nationalsozialistischer  Musterbetrieb zu sein, alle durch die herrschende Politik gebotenen Exportchancen nutzte und in diesem Rahmen auch etwa 3700 Häftlinge von sieben Konzentrationsaußenlagern nutzte. Gemessen an insgesamt etwa 50000 Konzernmitarbeitern war der Anteil der Zwangsarbeiter und Häftlinge von Konzentrationslagern nach Ansicht der ein bedeutsames Teilgebiet der nationalsozialistischen Unternehmensgeschichte bearbeitenden Verfasser vergleichsweise hoch.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler