Korge, Marcel, Kollektive Sicherung bei Krankheit und Tod. Fallstudien zum frühneuzeitlichen Zunfthandwerk in städtischen Zentren Sachsens (Chemnitz, Dresden, Leipzig und Zwickau) (= Studien zur Gewerbe- und Handelsgeschichte der vorindustriellen Zeit 33). Steiner, Stuttgart 2013. 578 S., zahlr. Tab., Kart. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Bereits der erste Mensch starb, vielleicht sogar an oder während einer Krankheit, auch wenn Einzelheiten darüber der Gegenwart nicht bekannt sind. Seitdem begleiten Krankheit und Tod den Menschen in unbekannter Zahl, so dass ihm als vernünftigem Wesen die Suche nach möglichster Milderung dieser Gefährdungen naheliegen musste, die schließlich in Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts zur Einführung der gesetzlichen Sozialversicherung führte. Da der Weg dorthin in seinen Einzelheiten wenig bekannt ist, hat sich der Verfasser durch seine Fallstudien in besonderer Weise verdient gemacht.

 

In seiner vorliegenden, Helmut Bräuer verpflichteten, von Manfred Rudersdorf betreuten und im Wintersemester 2011/2012 von der Fakultät für Geschichte, Kunstwissenschaften und Orientwissenschaften angenommenen Dissertation behandelt der Verfasser auf Grund vielfältiger Quellen nach einer Einleitung über Fragestellung, Rahmen, Handwerksgeschichtsschreibung , Quellen und Methode zunächst das Untersuchungsfeld vom organisierten Handwerk in der frühen Neuzeit bis zu zentralen sozialen Sicherungsinstanzen. Danach widmet er sich vor allem der Krankenunterstützung durch Handwerkszünfte und Gesellschaften, dem Begräbniswesen in den Handwerkszünften und Gesellschaften und der Hinterbliebenenversorgung durch Handwerkszünfte und Gesellschaften. Seine vielfältigen Einsichten fasst er am Ende in Bilanz und Ausblick zusammen und rundet sie durch einen Anhang und ein Quellen- und Literaturverzeichnis sachgerecht ab.

 

Insgesamt findet er in seinen ausgewählten frühneuzeitlichen sächsischen Städten ansprechend ein variantenreiches, selbsthilfeorientiertes Kranken-, Begräbnis- und Hinterbliebenenunterstützungswesen, das er als hauptsächlich rational-pragmatisch flexibel-funktionierendes System der nicht ausschließlich auf Gegenseitigkeitsüberlegungen basierenden Hilfsangebote und Organisationsstrukturen einer ungleichmäßige Interessen verfolgenden Mitgliederschaft charakterisiert. In einem weiteren Rahmen bildete nach seiner Einsicht das zunächst sporadische, erst relativ spät dichter werdende Unterstützungswesen der Handwerkszünfte und Gesellschaften eine der wichtigsten Wurzeln des späteren Sozialversicherungssystems Bismarcks. Insgesamt erwiesen sich ihm die erbrachten Unterstützungsleistungen gemeinsam mit den zugrundeliegenden Normen und vor dem vielfältigen Hintergrund eines lebendigen Selbsthilfestrebens als ein einzigartiger und bedeutsamer, aber für sich genommen unzureichend beschränkter Ausschnitt kollektiver sozialer Sicherung innerhalb der frühneuzeitlichen Gesellschaftsordnung, der durch andere ähnlich gelungene Untersuchungen noch weiter aufgehellt zu werden verdiente.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler