Köster, Fredy, Das Ende des Königreichs Hannover und Preußen. Die Jahre 1865 und 1866 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen Band 267). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2013. 272 S. Besprochen von Werner Schubert.
Mit dem vorliegenden Werk setzt Köster sein 1978 erschienenes Werk: „Hannover und die Grundlegung der preußischen Suprematie in Deutschland 1862-1864“ (Hildesheim) fort. In einem ersten Abschnitt befasst sich Köster mit dem Verhältnis Hannovers zu Preußen „im Jahr der politischen Weichenstellungen“ (S. 11ff.). In der Erbfolgefrage Schleswig-Holsteins bestand im Wesentlichen nur eine äußere Übereinstimmung Hannovers mit Preußen (Bevorzugung des Großherzogtums von Oldenburg gegenüber dem Prinzen von Augustenburg). Hinzu kamen noch die Auseinandersetzungen über eine Erweiterung des Wahlrechts zur zweiten Kammer Hannovers (S. 45ff.) und die Kabinettskrise. Im zweiten Abschnitt geht es um die Stellung Hannovers im Verhältnis zu Preußen und Österreich (S. 68ff.). Der preußische Bundesreformplan zielte mit dem Vorschlag nach einem allgemeinen direkten Wahlrecht für ein deutsches Parlament auf ein Herausdrängen Österreichs aus dem Bund (S. 102f.). Am 12./13. 5. 1866 war Hannover noch bereit, „mit Preußen für den Fall eines Krieges zwischen den beiden deutschen Führungsmächten und des Zerfalls des Bundes in Neutralitätsverhandlungen einzutreten“ (S. 126). Jedoch schon am 23. 5. 1866 lehnte König Georg V. es ab, in Neutralitätsverhandlungen mit Preußen einzutreten und stellte sich auf die Seite Österreichs. Maßgebend hierfür waren der Glaube an einen Sieg Österreichs und die Erwartung von Gebietsvergrößerungen auf Kosten Preußens (S. 128ff.). Obwohl die Schlacht von Langensalza (Thüringen) für Hannover am 27. 6. 1866 erfolgreich verlief, kapitulierte das Königreich zwei Tage später in einer Vereinbarung mit Preußen wegen des Kräfteverfalls seiner Armee. Auch jetzt noch hätte Hannover wohl die Möglichkeit gehabt, selbständig zu bleiben, wenn der König, der die Lage falsch einschätzte, auf eine Reise nach Wien verzichtet und zugunsten seines Sohnes abgedankt hätte (S. 172f.). Im Juli 1866 wurde der Plan einer Annexion Hannovers durch Preußen bekannt, der am 25. 8. 1866 vom preußischen Parlament sanktioniert wurde. Damit verletzte Preußen „in grober Weise das Bundesrecht“ und verstieß „darüber hinaus gegen die wichtigsten Normen des geltenden Völkerrechts“ (S. 179, nach Treitschke ein „Akt der historischen Notwendigkeit“).
Demgegenüber wird heute mit Recht darauf hingewiesen, dass die Annexion für das Zustandekommen eines deutschen Bundesstaats unter preußischer Führung nicht notwendig gewesen wäre. Auch wurde eingewandt, dass „ein erhalten gebliebenes Königreich Hannover, auf die Dauer vielleicht noch vergrößert durch das Herzogtum Braunschweig, der territorialen Überdimensionierung Preußens im Norddeutschen Bund und im späteren Deutschen Reich entgegengewirkt und damit einen wirklichen deutschen Föderalismus überhaupt erst ermöglicht hätte“ (S. 166, 183). Im Ausblick berichtet Köster über das „Festhalten“ an der Revision der Entscheidung von 1866 durch Georg V. (S. 185ff.). Hilfreich wäre es gewesen, wenn Köster noch ein zusammenfassendes Resümee seiner Untersuchungen gebracht hätte. Zu der Frage, wie die Annexion im Einzelnen verlief, liegt bereits das umfangreiche Werk von Heide Barmeyer: Hannovers Eingliederung in den preußischen Staat. Annexion und administrative Integration 1866-1868 (Hildesheim 1983) vor. Von Interesse wären noch detailliertere Untersuchungen darüber, inwieweit es dem aus Hannover kommenden preußischen Justizminister Leonhardt gelungen ist, einen Großteil der allgemein anerkannten Institutionen der hannoverschen Justiz über die Reichsjustizgesetze auf das Reich zu übertragen und damit auch eine immer wieder gescheiterte Reform der preußischen Justiz zustande zu bringen. Die detaillierten Untersuchungen Kösters über die Vorgeschichte und den Verlauf des „Endes“ des Königreichs Hannover sind auch für den Rechtshistoriker von Interesse, der an verfassungsrechtlichen Fragen interessiert ist.
Kiel |
Werner Schubert |