Kaiser, Georg A., Romanische Sprachgeschichte (= UTB 3717 M). Fink, Paderborn 2014. 311 S., Tab., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die romanischen Sprachen bilden einen der bedeutendsten Zweige der indogermanischen Sprachenfamilie, der ausgehend vom Latein der Römer vor allem über die Kolonialmächte Frankreich, Spanien und Portugal weltgeschichtliche Bedeutung erlangt hat. Von daher verdient eine romanische Sprachgeschichte auch das Interesse des germanistischen Rechtshistorikers. Der 1992 mit einer Untersuchung über die klitischen Personalpronomina im Französischen und Portugiesischen hervorgetretene, in Hamburg 1999 mit einer 194seitigen Habilitationsschrift über Verbstellung und Verbstellungswandel in den romanischen Sprachen habilitierte, anschließend nach Konstanz berufene Georg A. Kaiser hat sie in der Reihe der UTB basics auf der Grundlage einer langjährig gehaltenen Einführungslehrveranstaltung vorgelegt und mit seinem Lehrbuch dabei an die Einführung Romanische Sprachwissenschaft Christoph Gabriels und Trudel Meisenburgs angeknüpft.

 

Gegliedert ist das ansprechende Werk in insgesamt sieben Abschnitte. Sie betreffen nach der Klärung der Frage, was romanische Sprachgeschichte ist, die Sprachgeschichte als Gegenstand der wissenschaftlichen Untersuchung einschließlich der (sprachextern oder sprachintern akzentuierten) Theorien des Sprachwandels und der Aufgaben und Methoden, die 6 (bzw. 9, 10, 11, 16, 20 oder noch mehr) erstmals von Friedrich Diez von 1836 bis 1844 umfassend wissenschaftlich behandelten romanischen Sprachen (Italienisch, ab etwa 800 bezeugt, Französisch ab 842, Spanisch ab dem 10. Jahrhundert, Portugiesisch und Rumänisch sowie Provenzalisch, Dalmatinisch, Rätoromanisch, Sardisch und Katalanisch) und ihre Klassifikation, das (Vulgär-)Latein als Ausgangspunkt, die Besonderheiten und Entwicklungen des Vulgärlateins (Vokale, Konsonanten, Nomina, Verben, Syntax, Wortschatz), die Ausgliederung der romanischen Sprachen und schließlich die mutmaßlichen Gründe hierfür. Dabei wird zwischen dem Romanisierungsprozess des Mittelmeerraums, Substrateinflüssen, Superstrateinflüssen, Adstrateinflüssen und sonstigen Faktoren unterschieden, ohne dass ein einzelnes Moment als allein entscheidend eingestuft werden kann.

 

Der Verfasser stellt die unterschiedlichen Gesichtspunkte jeweils klar und deutlich vor und legt Argumente und Gegenargumente verständlich dar. Wer immer sich für die komplexe Geschichte der romanischen Sprachen interessiert, wird dementsprechend sachkundig unterrichtet. Zweifel wird man allerding daran haben können, ob etwa der erste Vorstoß der Franken über den Rhein 359 n. Chr. erfolgt, die Franken in der Mitte des 5. Jahrhunderts bis an die Loire vordringen, dieReconquista mit der islamisch-arabischen Invasion im Jahre 711 einsetzt oder ob die Schlacht bei Tours und Poitiers 734 geschlagen wurde, doch haben diese allgemeingeschichtlichen Einzelheiten auf die romanische Sprachgeschichte als solche keinen entscheidenden Einfluss.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler