Kämper, Heidrun, Wörterbuch zum Demokratiediskurs 1967/68, unter Mitwirkung von Link, Elisabeth. Akademie-Verlag, Berlin 2013. 1131 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die wichtigste natürliche Gabe des Menschen ist sein Verstand, mit dessen Hilfe er das die Verständigung erleichternde Wort erfunden hat. Seit die Zahl der Wörter für den Einzelnen unüberschaubar geworden ist, werden sie in Wörterbüchern zum Nutzen der Allgemeinheit gesammelt. Die Vielfalt der menschlichen Überlegungen rechtfertigt dabei angesichts der Dichte und Differenziertheit der modernen, durch den technischen Fortschritt und die Steigerung des Volkseinkommens ermöglichten Kommunikation immer speziellere Sammlungen.

 

Die in Germanistik und Politologie in Hamburg und Braunschweig ausgebildete Verfasserin des vorliegenden, gewichtigen Demokratiediskurswörterbuchs war seit 1981 als Assistentin und wissenschaftliche Mitarbeiterin in verschiedenen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Forschungsprojekten am Seminar für deutsche Sprache und Literatur an der Technischen Universität Braunschweig tätig und arbeitete seit 1986 bei der Neubearbeitung des Deutschen Wörterbuchs Hermann Pauls mit (1987/1988 Dissertation über Lieder von 1848 - politische Sprache einer literarischen Gattung). Im August 1993 wechselte sie an das Institut für deutsche Sprache in Mannheim, wo sie (neben Lehrtätigkeiten) bei der Neubearbeitung des deutschen Fremdwörterbuchs mitwirkte. Seit April 2000 leitet sie den Arbeitsbereich sprachliche Umbrüche und lehrt seit der Habilitation des Jahres 2005 (über den Schulddiskurs in der frühen Nachkriegszeit im Sinne eines sprachlichen Umbruchs) als außerplanmäßige Professorin in Mannheim und als Gastdozentin an anderen Universitäten.

 

Das von ihr auf dieser qualifizierten Grundlage vorgelegte neue Wörterbuch ist nach der kurzen Einleitung das am Institut für deutsche Sprache erstellte Nachschlagewerk zu der 2012 erschienenen Untersuchung Aspekte des Demokratiediskurses der späten 1960er Jahre, zu dem etwa Adorno, Horkheimer, Marcuse, Habermas, Ludwig von Friedeburg, Mitscherlich, Abendroth, Agnoli, Peter Brückner, Furio Cerutti, Hans-Magnus Enzensberger und andere beitrugen. Aus ihren Schriften werden knapp 100 Wörter von abstrakt bis Zwang behandelt (z. B. Aktion, Argument, Aufklärung, Autonomie, Basis, Bürokratie, Demokratie, Gewalt, Herrschaft, Legitimation, Manipulation, Prinzip, Privileg, Prozess, Struktur, System, Theorie oder Vernunft). Gegliedert in Lesarten, Geschichte, Diskursfunktion, semantisches Netz, Wortverbindungen, Wortbildung und Belege wird dadurch ein wichtiger Ausschnitt der deutschen Zeit(sprach)geschichte so umfassend und weiterführend erhellt, wie dies im Idealfall auch für andere Ausschnitte wünschenswert wäre.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler