Justizgeschichte des bürgerlichen Zeitalters = Legal history of the Bourgeois Era = Histoire de la justice à l’époque Bourgeoise), hg. v. Czeguhn, Ignacio u. a. (= Rechtskultur 1). Edition Rechtskultur, Regenstauf 2012. 119 S. , Ill. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die zivilisatorische Entwicklung des Menschen hat im Laufe der Zeit den weitgehenden wirtschaftlichen Übergang von der autochthonen Selbstversorgung der Kleingruppe zur arbeitsteiligen Dienstleistungsgesellschaft aller Erdteile bewirkt. Das hatte während des 20. Jahrhunderts zur weiteren Folge, dass eine akademische Ausbildung zur selbverständlichen Voraussetzung eines erfolgreichen Lebens wurde, wobei der Grundsatz der Gleichberechtigung die Frauen so weitgehend einschloss, dass inzwischen sogar eine kleine Mehrheit der rechtswissenschaftlichen Studierenden weiblichen Geschlechts ist. Mehr Studierende führen zu mehr Professoren, mehr Professoren zu mehr Gedankenerzeugnissen und mehr Gedankenerzeugnisse zu mehr Zeitschriften, von denen jede nach einem eigenen, möglichst unverwechselbaren Profil suchen muss oder will.

 

Von daher ist es nur folgerichtig, dass sich eine neue Rechtskultur im Jahre 2012 auf den rechtswissenschaftlichen Markt begeben hat. Herausgegeben wird sie in einem europäischen Rahmen in alphabetischer Abfolge von Ignacio Czeguhn, Lukas Gschwend, Dirk Heirbaut, Martin Löhnig und Antonio Sánchez Aranda. Besonderes Kennzeichen ist ein jeweiliger Themenschwerpunkt der Beiträge, für den die erste Ausgabe die Unabhängigkeit der Justiz gewählt hat.

 

Die insgesamt neun Untersuchungen des großformatigen schmalen Sammelbands beginnen mit Ulrike Müßigs Kampf um die gerichtliche Selbstverwaltung in der Entstehungsgeschichte des Gerichtsverfassungsgesetzes und enden mit Marcel Senns Frage, wozu Juristen auszubilden sind. Dazwischen werden Freiherren von Regensburg, Laborers in the courtroom, der Schutz feindstaatangehöriger Zivilisten durch deutsche Militärgerichte zwischen 1939 und 1945, Sondervoten des norwegischen Höchstgerichts, das bayerische Zuchthaus des 19. Jahrhunderts und die Beratungsorgane der spanischen Kolonialverwaltung zwischen 1883 und 1899 betrachtet. Gegen Ende versucht Jan Dirk Harke einen Rapport de synthèse, mit dessen Hilfe der neuen Zeitschrift der angestrebte Erfolg auf dem größeren europäischen Markt von rechtsgeschichtlicher Rechtskultur optimal gelingen möge.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler