Geier, Stephan, Schwellenmacht. Bonns heimliche Atomdiplomatie von Adenauer bis Schmidt. Schöningh, Paderborn 2013. 485 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Durch physikalische Forschungen ergab sich im 20. Jahrhundert die Erkenntnis, dass die Kerne von früher als unteilbar geltenden Atomen durch einen Beschuss mit schnellen Teilchen verändert werden können. Am 17. Dezember gelang dabei an dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin Otto Hahn und seinem Assistenten Fritz Strassmann der Nachweis einer gewollten Kernspaltung von Uran durch den Nachweis dadurch entstehender Spaltprodukte, was 1939 über Niels Bohr auch Physikern in den Vereinigten Staaten von Amerika bekannt wurde, von denen Enrico Fermi in Chicago die erste kontrollierte Spaltungskettenreaktion verwirklichte. In der Folge konnte mit Hilfe der von den Vereinigten Staaten entwickelten Atombombe der zweite Weltkrieg auch in Asien abgekürzt und beendet werden, so dass es die daraus gezogene politische Folgerung sein musste, wenigen Siegern die neue Technik vorzubehalten, sie möglichst vielen anderen aber zu verbieten.

 

Mit den sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf Deutschland befasst sich die von Gregor Schöllgen betreute, 2011 im Fach neuere und neueste Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg im Umfang von 839 Seiten vorgelegte Dissertation des in Astrophysik und Geschichte ausgebildeten, an der Europäischen Südsternwarte in Garching tätigen Verfassers. Nach ihrem Druck erregte sie umgehend das Interesse eines sachkundigen Rezensenten. Da der Verlag aber leider kein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen konnte, muss der Herausgeber mit wenigen Zeilen auf das interessante Werk hinweisen

 

Gegliedert ist es nach einer kurzen Einleitung in insgesamt 15 Abschnitte. Sie beginnen mit dem mit Hindernissen erfolgenden Einstieg in die Kernenergie in Deutschland ab 1938 und verfolgen detailliert die Entwicklung in Europa und der Welt bis 1980. Dabei kann der Verfasser überzeugend zeigen, dass Deutschland, dem als Folge des zweiten Weltkriegs eigene Atomwaffen versagt wurden, durch die Teilhabe der Bundeswehr an der Nordatlantischesn Verteidigungsorganisation wie durch Entwicklung und Ausfuhr (angeblich rein) ziviler Atomanlagen die internationalen Kontrollmechanismen gegen eine weitere Verbreitung von Atomwaffen unabhängig von der Parteizugehörigkeit der jeweils maßgeblichen Politiker als Schwellenmacht mit eigenen Interessen und heimlicher Atomdiplomatie bewusst in Kauf nahm.

 

Innsbruck                                                                  Gerhard Köbler