Foljanty, Lena, Recht oder Gesetz. Juristische Identität und Autorität in den Naturrechtsdebatten der Nachkriegszeit. Mohr (Siebeck), Tübingen 2013. XVIII, 412 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Bereits dem griechischen Altertum war die Möglichkeit der Unterscheidung zwischen menschlichen Bestimmungen und davon unabhängigen außermenschlichen Selbverständlichkeiten aufgefallen. Dementsprechend konnte sich in Sankt Gallen um die erste Jahrtausendwende ein kluger Mönch fragen, ob die Lösung der Lex Alamannorum für den Diebstahl eines wertvollen Pferdes überzeugend und richtig war oder nicht. Fast tausend Jahre nochmals später entstand, nachdem die Vernunftrechtsidee nach Hugo Grotius für fast zwei Jahrhunderte bedeutsam, dann aber weitgehend abgelehnt worden war, nach Ende der nationalsozialistischen Herrschaft eine neue Debatte um die Rechtmäßigkeit der von Menschen geschaffenen Gesetze.
Mit ihr befasst sich die vorliegende Untersuchung der 1979 geborenen, in Greifswald und Berlin in der Rechtswissenschaft ausgebildeten Verfasserin. Sie wurde von Joachim Rückert, dem die Verfasserin besonders für die einzigartige Gabe des Zuhörens und zugespitzt Zurückgebens verbunden ist, betreut und im April 2011 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Main als Dissertation angenommen. Gegliedert ist sie nach einer Einleitung über Naturrechtsbegeisterung, Wendeliteratur, Identität und Autorität der Jurisprudenz sowie die Beschränkung auf die vier Autoren Hermann Weinkauff, Adolf Süsterhenn, Erik Wolf und Helmut Coing in sieben Kapitel.
Diese beginnen mit der Abgrenzung als Identitätsfrage in der Form der Konstruktion des Positivismus als mächtigen Gegners und führen über drei als Ausgangspunkte verwendete Fälle vom rechtlichen Vakuum zur richterlichen Idee sowie zur Renaissance katholischen Naturrechts in der Person Adolf Süsterhenns. Dem wird auf evangelischer Seite Erik Wolf gegenübergestellt, ehe die Dynamisierung des Naturrechtsdenkens in den 1950er Jahren durch Helmut Coing betrachtet wird. Im Ergebnis ihrer eindringlichen, gedankenreichen Überlegungen kann die Verfasserin feststellen, dass kaum zehn Jahre nach dem Beginn der Naturrechtsdebatte im Jahre 1945 Rechtsphilosophen konstatierten, dass sich die meisten Juristen wieder vom Naturrecht abgewandt hatten, wobei die Naturrechtsdebatten nicht nur ein Ort der Vergewisserung gewesen waren, sondern auch einen Grundstein für einen zwar die rasche Rekonsolidierung des Faches ermöglichenden, aber auf Justiz und Jurisprudenz verengten Blick im Nachdenken über Recht gelegt hatten und dadurch die kurze Episode mit langen Nachwirkungen verknüpften.
Innsbruck Gerhard Köbler