Büchner,
Robert, Im städtischen Bad vor 500 Jahren. Badhaus, Bader
und Badegäste im alten Tirol. Böhlau, Wien 2014. 198 S. Besprochen von Gerhard
Köbler.
Fast drei Viertel der Erde sind von Wasser bedeckt, im Wasser ist vermutlich das Leben entstanden und grundsätzlich verbringt der Mensch die ersten neun Monate seines Lebens im Wasser, wenn auch in einer besonderen Form. Von daher liegt eine enge Beziehung des Menschen zum Wasser nahe, die ihn im Laufe der Zeit von den natürlichen Gegebenheiten wie Regen, Quellen, Bächen, Flüssen, Seeen und Meeren zur kulturellen Einrichtung des Bades geführt hat, die er in erster Linie wegen der damit verbindbaren Wärme seit den Hochkulturen der Antike schätzen lernte. Binnen 4000 Jahren ist dabei aus einer allgemeinen Kostbarkeit eine individuelle Alltäglichkeit geworden.
Als der als Professor für Geschichte des Mittelalters und der frühen Neuzeit an der Universität Innsbruck tätige, durch verschiedene Veröffentlichungen vor allem zur Landesgeschichte hervorgetretene Verfasser die moderne Studie Birgit Tuchens über öffentliche Badehäuser in Deutschland und der Schweiz im Mittelalter und in der frühen Neuzeit aus dem Jahre 2003 zur Hand nahm, musste er zu seinem Bedauern feststellen, dass es eine den Städten wie Wimpfen, Chur, Eberbach, Kulmbach, Ulm oder Winterthur vergleichbare Untersuchung für die Tiroler Städte mit Ausnahme von Heinz Mosers Ausführungen über Bader, Barbiere und Wundärzte in der Stadt Hall nicht gab. Dem widersprach freilich eine durchaus günstige, auf Rechnungen aufbauende Quellenlage beispielsweise für Rattenberg. Folglich fasste er den Plan, die bisher bestehende Lücke zu schließen, was ihm veranschaulicht durch eine Miniatur aus Johannes de Sacroboscos De Sphaera von etwa 1470 aus einer in Modena aufbewahrten Handschrift in überzeugender Weise gelang.
Gegliedert ist die in einem größeren Rahmen verständlich geschriebene, mit zahlreichen, vielfältige Orte vertretenden Abbildungen versehene Untersuchung in vier Abschnitte. Sie betreffen das (überwiegend öffentliche) Badewesen bis ins 16. Jahrhundert mit den Schwerpunkten Badhaus, Bader und Badebordelle, das sich dem privaten Bad aufschließende Badewesen vom 16. bis zum 19. Jahrhundert, das besondere, um 1400 entstandene, als Schwitzbad gestaltete, 16 mal 14,90 Meter große, in der Gegenwart zu einem Wohnhaus umgebaute „gemainer Stat Pad“ zu Rattenberg mit Vorhäusl, Umkleideräumen, zwei Badstuben für Männer und Frauen, Trinkstube, Abtrittserker und Holzhämmerl und die (zehn) als bloße Inwohner ohne großes Ansehen und überwiegend mit geringer Lebenserwartung und bescheidenen Einkünften wirkenden, vom Rat jeweils jährlich bestellten Bader zu Rattenberg zwischen 1482 und 1581 mit Knechten und Mägden. Nach den gesammelten Erkenntnissen des Verfassers wird es, wie überall, auch in Rattenberg in den Badstuben - auf der steten Suche nach Wohlbefindlichkeit - laut und fröhlich, aber nicht unziemlich hergegangen sein.
Innsbruck Gerhard Köbler