Berg, Matthias, Karl Alexander von Müller. Historiker für den Nationalsozialismus (= Schriftenreihe der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften 88). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2014. 572 S. Zugleich überarb. und gekürzte Fassung von Berlin, Humboldt-Univ. Diss. 2013. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Karl Alexander von Müller wurde in München am 20. Dezember 1882 als Sohn des Kultusministers Ludwig August von Müller geboren. Nach dem 1901 bestandenen Abitur am Wilhelmsgymnasium in München studierte er als Stipendiat der Stiftung Maximilianeum Rechtswissenschaft und Geschichte in München und wurde nach einem Jahr als Stipendiat in Oxford 1908 mit der durch Sigmund von Riezler betreuten Dissertation über Bayern im Jahre 1866 und die Berufung des Fürsten Hohenlohe promoviert und 1926 auf Grund der Schrift Joseph Görres 1819/1820 habilitiert, woraufhin er als Syndikus der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und Honorarprofessor der Universität München wirken konnte. 1928 wurde er als Nachfolger Michael Döberls ordentlicher Professor für bayerische Landesgeschichte, 1935 auch Professor für mittlere und neuere Geschichte und hatte eine Vielzahl bekannter Hörer und Schüler wie Baldur von Schirach, Rudolf Heß, Hermann Göring, Walter Frank, Hermann Kellenbenz, Alois Hundhammer, Heinz Gollwitzer, Theodor Schieder oder Karl Bosl.

 

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft wurde er, der im Mai 1933 der Nationalsozialistischen deutschen Arbeiterpartei beigetreten war und ihren Zielsetzungen in vielfacher Weise diente, auf Anordnung der amerikanischen Militärverwaltung zwangsweise emeritiert. Trotz einer umfangreichen, vorwiegend der Rechtfertigung dienenden Autobiographie und zahlreicher anderer Studien lag nach den Erkenntnissen des Verfassers eine wissenschaftsgeschichtliche und historiographiegeschichtliche Studie bisher nicht vor. Die von Rüdiger vom Bruch betreute und geförderte, im Frühjahr 2013 von der philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin angenommene, diese Lücke schließende, für den Druck gekürzte Dissertation des als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichtswissenschaft der Humboldt-Universität tätigen Verfassers hat deswegen unmittelbar nach Erscheinen das Interesse mehrerer Sachkenner erweckt, doch muss sie sich in Ermangelung eines verfügbaren Rezensionsexemplars mit wenigen Bemerkungen des Herausgebers bescheiden.

 

Gegliedert ist das umfangreiche, ausgewogene und weiterführende Werk nach einer Einleitung über Biographik, Wissenschaftsgeschichte und Geschichte der Geschichtswissenschaft sowie den Forschungsstand und Forschungsfragen in sieben chronologisch geordnete Kapitel. Sie betreffen Aufbruch (1882-1916), Enttäuschung (1916-1928), Ankunft (1928-1935), Erfolg (1935-1943), Untergang (1943-1951), Rückkehr (1951-1962) und Ende (1962-1964). In ihnen erklärt der Verfasser den Aufstieg als Erfolg eines trotz einer einzigen Monographie fachlich ausgewiesenen, literarisch begabten, öffentlichkeitswirksamen und institutionell sehr präsenten, traditionsgeprägten, aber mitwirkungswilligen, vermeintlich nicht nein sagen könnenden und deutlich ja sagenden Wissenschaftlers, der nach Ausschluss ohne wirkliche Wiederkehr und langer Alterskrankheit in Rottach-Egern am 13. Dezember 1964 starb.

 

Innsbruck                                                                              Gerhard Köbler