Udke, Gerwin,
Erlebnisse und Erfahrungen. Aus dem Arbeitsleben eines Juristen in der DDR 1958
bis 1991. Udke, Berlin 2012. 99 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Als der Eiserne Vorhang am Ende des zweiten Weltkriegs
zwischen dem Osten und dem Westen aufgerichtet wurde, sollte er bewusst Systeme
trennen. In der einen Welt sollte die Gleichheit auf der Ebene der Arbeiter und
Bauern hergestellt werden, während in der anderen Welt weiter die Freiheit mit
allen Vorteilen und Nachteilen bestehen bleiben sollte. Beide Teile hielten
sich für grundsätzlich gut und den jeweils anderen für grundsätzlich schlecht,
doch wurde der Wissensaustausch vom Osten mit Hilfe von Mauern, Drahtzäunen und
Grenzwachen so unterbunden, dass jeder vom anderen nur ein unklares Bild
gewinnen konnte.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ist es deshalb für den
Westen vorteilhaft, wenn der Osten Selbstdarstellungen seiner Wirklichkeit zur
Verfügung stellt. Gerwin Udke (*1939) bietet dies für sich und sein Umfeld in
einem schmalen Heft. Dabei gliedert er nach einer kurzen Vorbemerkung seinen
Bericht in die neun Kapitel eines praxisorientierten Studiums 1958 nach der
Babelsberger Konferenz mit einer eigenen Einheit von Theorie und Praxis, der
Revisionsvorwürfe, der rechttheoretischen Ausbildung im Direktstudium und im
Fernstudium, der wissenschaftlichen Qualifikation in Rechtsbewusstsein und
Rechtserziehung durch eine A-Dissertation zu Problemen der Entwicklung des Rechtsbewusstseins,
durch ein Komplexpraktikum, durch eine B-Dissertation (Der Ausbau der
sozialistischen Rechtserziehung - eine wichtige Bedingung für die weitere
Erhöhung der gesellschaftlichen Wirksamkeit des sozialistischen Rechts, 1976,
begutachtet von Stephan Supranowitz, Gerhard Schüßler und Werner Wippold) und
ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, der Lehrjahre im zentralen
Staatsapparat, des Lernens von der Sowjetunion an Hand des Staatsrechts der
UdSSR, der Forschungen zur Wirksamkeit der Rechtsanwendung, der Rechtstheorie
im Umbruch und der Abwicklung nach der Wende des Jahres 1989, in der aus dem
von 1962 bis 1991 im Staatsdienst als wissenschaftlicher Assistent und
Oberassistent wirkenden Verfasser ein freiberuflicher Rechtsanwalt und
Publizist wurde.
Rückblickend auf 30 Jahre berufliche Tätigkeit als Jurist
und Hochschullehrer hält der Verfasser fest, dass die Deutsche Demokratische
Republik (und mit ihr auch die realsozialistische Rechtsordnung) 1889/1990
untergegangen ist und der erste, 40 Jahre währende Sozialismusversuch auf
deutschem Boden in den Zeiten des Kalten Krieges erst einmal historisch
gescheitert ist. Das hatte und hat, wie er selbst erleben musste und muss,
vielfältige Auswirkungen auch auf das Arbeitsleben ganz vieler engagierter und
qualifizierter Menschen in Ostdeutschland, die sich unter weitgehend
veränderten Bedingungen zu behaupten hatten und haben. Hierbei waren dem
Verfasser die in langen Jahren in der DDR und in den aufreibenden Monaten ihres
Scheiterns, ihres Untergangs und ihrer
Abwicklung gesammelten Erfahrungen, an denen er den Leser durch sein
Werk Teil haben lässt, von großem Nutzen, nicht zuletzt bei dem Verständnis und
der Inanspruchnahme zustehender Rechte der bundesrepublikanischen
Rechtsordnung.
Innsbruck Gerhard Köbler