Stieldorf, Andrea, Marken und Markgrafen. Studien zur Grenzsicherung durch die fränkisch-deutschen Herrscher (= Monumenta Germaniae Schriften 64). Verlag Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2012. CX, 623 S. Besprochen von Christof Paulus.

 

Die Bonner Habilitationsschrift, abgeschlossen 2007/2008, untersucht die Geschichte der Begriffe marca und marchio vom 8. Jahrhundert bis zur Herrschaftszeit Kaiser Friedrich Barbarossas und kommt hierbei zum zentralen Urteil, dass sich weder aus erstgenannter Raumbezeichnung noch aus dem Titel sichere Aussagen über die „Politik“ der Zentralgewalt ableiten lassen. Im ersten Teil ihrer Arbeit zeichnet Stieldorf die Entwicklung von marca/marchia nach, was bis zum späten 11. Jahrhundert in der Regel eine Randzone des Reichs kennzeichnete, terminologisch changierend zwischen den Begriffen „Grenze“ und „Gebiet“, und sich ab dem späten 11. Jahrhundert in Richtung „Markgrafschaft“ ausdifferenzierte. Der Begriff taucht erstmals um 800 als Bezeichnung für die Reichsperipherie(n) auf. Im 10. Jahrhundert ist dann ein Rückgang der Belege zu bemerken. Ab etwa 980 nimmt die Dichte der marca-Nennungen in den Diplomata, den „Privaturkunden“ sowie in der Geschichtsschreibung zu. Grundsätzlich ist eine unterschiedliche Begriffsentwicklung in den verschiedenen Zonen des Reichs anzunehmen. Im zweiten Großkapitel wird der marchio-Titel untersucht, welcher bis zum 11. Jahrhundert in der Regel mit grenzsichernden Aufgaben verbunden war, danach sich allmählich zu einem Rangtitel bzw. zu einer institutionalisierten Adelsbezeichnung wandelte und verfestigte. Um 800 tritt der marchio zunächst in vasallitischem Status in den Randzonen des Reiches auf, darauf entwickelte sich der Begriff zu einem mit den Reichsrandzonen verbundenen Funktionstitel. In salischer Zeit nimmt die Tendenz zu, den „Markgrafen“ zwischen dem „Grafen“ und dem „Herzog“ zu verorten. Doch ist gerade in der Frühzeit eine fehlende titulatorische Verfestigung auffallend. Das „Mehr“, was den marchio im Vergleich zum comes auszeichnete, sei nur diffus zu fassen, wie Stieldorf an mehreren Stellen betont. Im abschließenden Teil „Der Herrscher und die Sicherung der Grenzen“ verbindet die Autorin ihre Überlegungen mit dem jeweiligen Königsprofil von karolingischer bis in staufische Zeit, wobei sie im Hochmittelalter ein zunehmendes Weichen der Zentralgewalt aus der Peripherie des Reiches feststellen kann. Doch auch für frühere Zeiten, namentlich für die Epoche der Karolinger, lässt sich von einer institutionalisierten Grenzsicherung kaum sprechen, vielmehr von einer reagierenden wie improvisierenden „Politik“ des Königs. Die Autorin hat eine detailreiche wie im Gesamtergebnis höchstbedeutsame Arbeit zu einer Neuen Verfassungsgeschichte des mittelalterlichen Reichs geschrieben, welches mit den rechtshistorischen und rechtssystematisierenden Zugriffen des 19. und teilweise auch des 20. Jahrhunderts kaum adäquat zu umschreiben ist. Hierbei fügt sich das Werk auch in eine Reihe neuerer Darstellungen ein, welche nur zum Teil noch für die Drucklegung der Schrift Berücksichtigung fanden.

 

Innsbruck                                                                   Christof Paulus