Schwarze, Jürgen, Das Verhältnis von nationalem Recht und Europarecht im Wandel der Zeit, Band 2 (= Schriftenreihe Europäisches Recht, Politik und Wirtschaft 367). Nomos, Baden-Baden 2013. 211 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Als am Ende des zweiten Weltkriegs die neue Bundesrepublik Deutschland sich mit Frankreich unter Einbindung Italiens, Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs zwecks Vermeidung weiterer Kriege zwischen ehemaligen fränkischen Brüdern und späteren Erbfeinden auf eine Kontrolle der Rüstungsindustrie verständigte, war die anschließende Entwicklung zumindest in den Einzelheiten nicht sicher vorhersehbar. Inzwischen sind mehr als 60 Jahre vergangen und ist über mehrere europäische Gemeinschaften, eine europäische Gemeinschaft schließlich eine Europäische Union mit derzeit 28 Mitgliedern und weiteren Bewerbern entstanden. Von daher bietet sich ein geschichtlicher Rückblick bestens an.

 

Besonders geeignet dafür ist ein Sachkenner, der diese Entwicklung zumindest zum größten Teil bewusst mitverfolgen konnte. Zu ihnen zählt der in Bielefeld 1944 geborene, nach dem Studium von Rechtswissenschaft und Staatswissenschaft in Münster, Göttingen und Freiburg im Breisgau 1969 mit einer Dissertation über den Eingriff in den Gewerbebetrieb promovierte, 1976 mit seiner Schrift über die Befugnis zur Abstraktion im europäischen Gemeinschaftsrecht an Hand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs habilitierte, über Bochum, Hamburg und Florenz 1989 nach Freiburg im Breisgau berufene, inzwischen emeritierte Jürgen Schwarze. Er hat seit mehr als 40 Jahren die europäische Rechtsentwicklung aufmerksam verfolgt und gemeinsam mit einer größeren Zahl inländischer und ausländischer Experten 2012 eine Bestandsaufnahme vorgelegt.

In einem zweiten Band soll auf dieser Grundlage ein zentrales Forschungsfeld näher betrachtet werden, das sich nach dem kurzen Vorwort als Problem einer angemessenen wechselseitigen Zuordnung der für den Verlauf der europäischen Integration maßgeblichen Rechtsordnungen darstellt. Gegliedert ist es nach einer kurzen Einleitung in Überlegungen zu Reichweite und Grenzen der europäischen Integration aus europäischer und mitgliedstaatlicher Sicht (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien, Österreich, Griechenland, Polen und Ungarn), Wege der Konfliktvermeidung und Konfliktbewältigung durch die Beteiligung der einzelnen staatlichen Akteure an der europäischen Integration (Parlamente mit Modellen aus Italien und Großbritannien, Verwaltung, Gerichte), die Beteiligung des Einzelnen an der europäischen Integration (Rechtssache Van Gend en Loos, Janecek, Trianel, Haftung der Mitgliedstaaten für Verstöße gegen das Unionsrecht) sowie zu Europa in Krisenzeiten (Eurokrise). Angesichts der notwendigen bewussten Aufgabe der vollständigen Unabhängigkeit müssen im Verhältnis von nationalem Recht und Europarecht europäische Wertvorstellungen und Interessen hinreichend zur Geltung kommen und kann nationales Recht nicht allein Gegensatz zu europäischem Recht sein, so dass aus der überzeugenden Sicht des hervorragenden Sachkenners nach nationalem verfassungsrechtlichem Vorbild eine Herstellung einer praktischen Konkordanz im Sinne eines schonenden Ausgleichs am ehesten zielführend sein dürfte.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler