Rudolph, Julia, Common Law and Enlightenment in England, 1689-1750. Boydell & Brewer, Melton/Suffolk 2013. XI, 324 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Zur Verbesserung seiner Lage in der ihn mit allen ihren Möglichkeiten und Notwendigkeiten einschließenden Welt hat der Mensch wie jedes andere Lebewesen stets die ihm eigenen Fähigkeiten verwendet. Dies hat ihm im Laufe der Zivilisation viele Wege erschlossen, die er weder vorhersah noch von Anfang an beschreiten konnte. Einen der wichtigsten Zugänge bildete dabei die Aufklärung, die auf der Grundlage von Renaissance, Humanismus und Reformation in den ersten Anfängen im letzten Drittel des 17. Jahrhundert in Europa sichtbar wird.
Sie bedeutet im Kern einen auf Befreiung von nicht vernunftgemäß zu begründenden Ansichten gerichteten Erkenntnisvorgang durch selbständiges unvoreingenommenes Denken. Im Recht sind daraus vor allem die Anerkennung eines weltlichen Naturrechts und das Verlangen der Allgemeinheit nach Teilhabe an der Macht erwachsen, die zu Forderungen nach Volkssouveränität, Gewaltenteilung und Grundrechten geführt haben. Dementsprechend wurden Folter und Leibesstrafen weitgehend abgelehnt und nach und nach an allen Orten beseitigt.
Die sich mit der Beziehung zwischen Aufklärung und Common Law in England auseinandersetzende Verfasserin ist erstmals durch eine eindringliche, von John Pocock betreute Untersuchung über James Tyrrell (1642-1718), einen Freund und Förderer John Lockes während dessen Arbeiten an Two Treatises on Government, und das politische Gedankengut der Whigs hervorgetreten. Ihren Bachelor of Arts erwarb sie an der Brown University und ihren Ph. D. an der Columbia University, den Zugang zur Rechtsgeschichte fand sie an der New York University School of Law. Nach Tätigkeiten an der Bucknell University und der University of Pennsylvania wechselte sie 2011 als Associate Professor of History an das History Department der North Carolina State University.
Ihre weiter ausgreifende zweite große Untersuchung ist in insgesamt sieben Kapitel gegliedert. Sie verweben in beeindruckender Art und Weise Recht, Wissenschaft, Wirtschaft, Philosophie und Geschichte. Ausgehend von der Ablehnung des Niedergangs versöhnen sie das hergebrachte Common Law mit der neueren Aufklärung.
Im Mittelpunkt steht dabei die Erkenntnis, dass das Common Law deswegen weiterbestehen konnte, weil es sich als anpassungsfähig an die neueren gedanklichen Herausforderungen erwies. Dargelegt wird dies unter Einbeziehung umfangreicher Literatur vor allem auch an Hand vierer grundlegender ausführlich erörterter Fälle. Insgesamt weist die Verfasserin dabei ansprechend darauf hin, dass das Common Law über das Recht im eigentlichen Sinn hinaus für die Aufklärung von erheblicher Bedeutung war und eine maßgebliche Rolle bei der Ausbildung der aufgeklärten Gesellschaft des 18. Jahrhunderts in England spielte.
Möge der Verfasserin in dieser Hinsicht weitere, von ihr noch für nötig gehaltene Aufklärung gelingen. Den Rahmen hierfür hat sie jedenfalls bereits jetzt in überzeugender Weise abgesteckt. Vielleicht lassen sich dann auch zusätzliche Verbindungen zwischen kontinentalem und englischem Recht während der Aufklärung deutlicher sehen.
Innsbruck Gerhard Köbler