Prettenthaler-Ziegerhofer, Anita, Verfassungsgeschichte Europas. Vom 18. Jahrhundert bis zum zweiten Weltkrieg, unter Mitwirkung v. Fraydenegg-Monzello, Otto. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2013. VII, 151 S.

 

Verfassung eines Staates ist der allgemeine grundlegende Zustand eines Staates, der nach einer weitgehend anerkannten Konvention material oder formal sein kann. Von daher kann man mit guten Gründen die in die Dimension Zeit eingebettete Verfassungsgeschichte bereits im Altertum oder im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts beginnen lassen. Eine kurze und prägnante Darstellung des europäischen Konstitutionalisierungsprozesses liegt nach den Worten der Verfasserin bislang noch nicht vor, weil  die Verfassungsentwicklung nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Staatengeschichte sinnvoll erscheint und eine europäische Staaten- und Verfassungsgeschichte ein komplexes Unterfangen ist, dem sich die Verfasserin aber gleichwohl stellt.

 

Die 1965 geborene, als außerordentliche Professorin für österreichische Rechtsgeschichte und europäische Rechtsentwicklung an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Graz tätige Verfasserin ist literarisch erstmals durch ihre Grazer geschichtswissenschaftliche Dissertation über Ferdinand I. und die steirischen Landtage (an Hand der Landtage von 1542 bis 1556) hervorgetreten. Seitdem hat sie sich vor allem mit der europäischen Integrationsgeschichte unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen Weges nach Brüssel befasst. Dementsprechend liegt die Verfassungsgeschichte Europas im Schnittpunkt ihrer vielfältigen Interessen.

 

Ihre kompakte, für Studierende in Prüfungen besonders hilfreiche, allerdings auf ein Sachregister verzichtende Darstellung gliedert sie nach einer kurzen Einleitung in sechs Kapitel und eine Zusammenfassung. Nach einer Grundlegung über Verfassung, Staat und Verfassungsstaat unterscheidet sie als fünf geschichtliche Einheiten die frühkonstitutionelle Phase bis 1814, die Zeit von der Restauration bis zur Zwischenrevolution (1830), die Zeit von den Zwischenrevolutionen (1830) bis zu den Revolutionen 1848/1849, die Verfassungsfrage von 1866 bis 1914 (einschließlich des wichtigen Jahres 1878) und die Verfassungsentwicklung der Zwischenkriegszeit von 1918 bis 1939 (einschließlich der Verfassungsbrüche von 1933 bzw. 1934). Dabei kann sie mittels ihrer informativen Darlegung im überzeugenden Ergebnis zeigen, dass sich zahlreiche Staatsverfassungen in Europa häufig an richtungsweisenden Modellen orientieren, auch wenn sie in erster Linie jeweils Verfassung eines Staates in Europa sind und die Europäische Union eine nach wie vor fortschreitende „Verfassungsentwicklung“ sui generis nimmt.

 

Innsbruck                                                                    Gerhard Köbler