Niederösterreichisches Urkundenbuch. Zweiter Band 1078-1158, bearb. v. Zehetmayer, Robert/Weltin, Dagmar/Weltin, Maximilian unter Mitarbeit v. Marian, Günter/Mochty-Weltin, Christina, hg. vom Verein zur Förderung von Editionen mittelalterlicher Quellen Niederösterreichs und vom. niederösterreichischen Landesarchiv (= Publikationen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung, achte Reihe), in zwei Teilbänden. Niederösterreichisches Landesarchiv, Sankt Pölten 2013. 1101 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das Niederösterreichische Urkundenbuch, dessen im Jahre 2008 erschienener, die Jahre von 777 bis 1076 erfassender erster Band nach der luziden Einleitung des Maximilian Weltins die Commission Internationale de Diplomatique zum Anlass genommen hat, das Spektrum regionaler Urkundenbücher im Rahmen eines Symposiums in dem eigentlich für die Commission wenig attraktiven, aber dadurch europäischen Metropolen gleichgestellten Sankt Pölten zu diskutieren, wird erfreulicherweise bereits nach wenigen Jahren durch den gewichtigen zweiten Band fortgeführt. Es beginnt auf den Seiten (7)-(27) mit einer nach dem Datum von 1071/1076 bis 1164/1167 geordneten Konkordanz, die außer dem Datum den Betreff (z. B. Garsten, Behamberg oder Klosterneuburg, Einzelblatt), die Nummer (1 1 - 30 1 Privilegium minus bzw. 30 2 Privilegium maius 1156 bzw. 1358/1359) und die Seite (der Texte und Kommentare) von 1 bis 867 aufführt. Dem folgt die Einleitung Maximilian Weltins, die bedauerlicherweise darauf hinweisen muss, dass im Gegensatz zu dem ein überschaubares Material beispielgebend aufbereitenden Vorausband des Jahres 2004 der erste Band nur ein geringes Erwerbungsinteresse heimischer Kommunen auf sich ziehen konnte.
Der zweite Band deckt zeitlich 80 Jahre mittels 478 notgedrungen auf zwei Bände zu verteilender Betreffe ab. Von ihnen sind 22 urkundliche Erlässe der höchsten Reichsgewalt, 20 unterschiedlich gefertigte Willenserklärungen der Kurie, 79 Äußerungen des Episkopalklerus und der höherrangigen Geistlichkeit, 34 Betreffe des weltlichen Hochadels und 323 ursprünglich gütersichernd festgehaltene Einzelakte kirchlicher Einrichtungen. Dabei sind in Niederösterreich nur in Göttweig und Klosterneuburg ursprüngliche Quellen erhalten geblieben, so dass die Aufnahme und sachliche Zuordnung zu einer Hauptnummer der in den Traditionsbüchern vorwiegend (heute) bayerischer Klöster enthaltenen niederösterreichischer Gegebenheiten (z. B. bei Formbach und Garsten zusammen mehr als 130 Nummern) erfolgte.
Nach Einsicht der originalen und der kopialen Überlieferung waren die Texte gegenüber den älteren Drucken (einmal mehr) durchgehend zu berichtig(t)en. Erstmals eingeführt wurde die Sigle (+) für Dokumente, die, wie etwa in Göttweig, Melk oder Klosterneuburg, in den hauseigenen Schreibstuben (ohne betrügerische Absicht) dem im 12. Jahrhundert rechtssichernd-aktuellen Beglaubigungsstandard angepasst wurden. Bei der Urkundenerläuterung blieb im Gegensatz zum ersten Band die Setzung der Akzente der subjektiven Entscheidung des jeweiligen Bearbeiters überlassen, so dass teils Auslagerungen teils Einschränkungen erforderlich waren.
Nach der dafür erforderlichen eigenständigen Forschung haben sich zahlreiche neue landesgeschichtliche Erkenntnisse und Ansichten gewinnen lassen. Dementsprechend steht nach Einschätzung Maximilian Weltins fest, dass Melk nicht von den Formbachern gestiftet wurde, sondern von den Markgrafen, dass Klosterneuburg keine vorbabenbergische Stiftung ist, sondern auch auf die Markgrafen zurückgeht, dass Kleinmariazells Stiftbrief von 1136 wahrscheinlich erst Jahrzehnte später kompiliert wurde, aber auf einer seriösen schriftlich-mündlichen Überlieferung der Gründungsnarratio aufbaut und dass ein meist nur gefühlter Fälschungsverdacht gegenüber Urkunden Seitenstettens, Sankt Florians, Sankt Georgens, Heiligenkreuzs, Zwettls und Reins nach methodisch sauberer Überprüfung bestätigt oder entkräftet werden konnte.
Zudem hat die sorgfältige Auswertung der Urkunden nach 1080 in der Mark aus den literarischen Quellen nicht erkennbare erhebliche Güterumschichtungen erkennen lassen. Neben noch vorhandenem Reichsgut (Persenbeug, civitates ad marchiam istius provintię pertinentes, Raum in und um Wien), übernahm bereits Markgraf Leopold II. die Eigengüter des antigregorianischen Markenadels mit kriegstüchtigem Gefolge. Innerhalb einer auf ihre monarchische Spitze ausgerichteten Adelslandschaft ließen sich viele Edelfreie und Ministerialen nachweisen und konnten die Stemmata der Grafen von Plain-Hardegg, Poigen, Schala-Peilstein, Dornberg-Schwarzach, der Herren von Traisen, Perg, Kilb, Schwarzenburg-Nöstach-Falkenberg, Aggsbach-Donauwörth, Asparn, Staatz, Kuenring und anderer Familien überprüft und sicherer gefasst werden.
Die Edition beginnt mit einer Gabe des Markgrafen Otakar I. an Bischof Altmann von Passau betreffend Behamberg und endet mit den Privilegium minus/maius (von 1156 bzw. 1358/1359). Es folgt ein kommentiertes Verzeichnis der kopialen Überlieferung aus Admont, Aldersbach, Baumburg an der Alz, Baumgartenberg, Berchtesgaden, Falkenstein, Formbach, Freising (Hochstift, Neustift), Garsten, Göttweig, Heiligenkreuz, Herrenchiemsee, Kirchstetten, Kleinmariazell, Klosterneuburg, Kremsmünster, Lilienfeld, Mallersdorf, Mattsee, Melk, Michaelbeuern, Mondsee, Niederalteich, Passau (Hochstift, Stift St. Nikola), Raitenhaslach, Regensburg Obermünster, Reichenbach am Regen, Reichersberg, Salzburg (Erzbistum und Domkapitel, Stift Sankt Peter), Sankt Florian, Sankt Pölten, Sankt Veit/Gölsen, Sankt Zeno, Seckau, Seitenstetten, Waldhausen und Zwettl. Umfangreiche Verzeichnisse und Register der Personen und Orte (von Abenberg bis Zwölfaxing) und ausgewählter Sachen (von abbas bis wasserrunsse) runden das vor allem landesgeschichtlich grundlegende, bedeutende, elf Karten enthaltende Werk vorteilhaft ab.
Innsbruck Gerhard Köbler