Leppin, Volker, Geschichte des mittelalterlichen Christentums (= Neue theologische Grundrisse). Mohr (Siebeck) 2012. XV, 459 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das evangelische Christentum beginnt mit der Reformation am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Deswegen stellt sich die Frage der Beziehung des evangelischen Christentums zur vorreformatorischen Zeit. Die Herausgeber der neuen theologischen Grundrisse sehen das evangelische Christentum nicht nur als evangelisch, sondern auch und vor allem als Christentum und haben deshalb dem Mittelalter einen eigenen Band eingeräumt und den in Helmstedt 1966 geborenen, in Marburg, Jerusalem und Heidelberg in Theologie und Germanistik ausgebildeten, mit einer Dissertation über das Theologieverständnis Wilhelms von Ockham 1994 promovierten, 1997 habilitierten und über Jena (2000) 2010 nach Tübingen berufenen Kirchenhistoriker Volker Leppin damit betraut.

 

Gegliedert ist das während eines Jahrzehnts allmählich gereifte Werk nach einer Übersicht über die wichtigsten Quellensammlungen für das Studium des Mittelalters und einer Einleitung über die Periodisierung und die Methodik in fünf chronologisch geordnete Kapitel. Sie betreffen die Genese der christlichen Gesellschaft des lateinischen Mittelalters (ca. 500-700), die Verfestigung christlicher Lebensformen zwischen Diesseits und Jenseits (ca. 750-1050), christliche Einheit und ihre Strittigkeit (1050-1215), (leicht überlappend) reale Kirche und ideale Kirche (ca. 1200-1335) und Polaritäten im späten Mittelalter (ca. 1300-1500). Jedes Kapitel der die herkömmliche Dreiteilung des Mittelalters in eine differenziertere religionsgeschichtliche Fünfteilung umwandelnden Darstellung ist in drei bis fünf der insgesamt 20 Paragraphen unterteilt.

 

Der Verfasser beginnt mit der Konstituierung einer neuen Geographie (Völkerwanderung und Ethnogenese, das römische Reich, das Vordringen des Islam) und endet mit der Sozialgestalt der Kirche zwischen klerikaler Leitung und laikaler Partizipation. In diesem Rahmen werden nacheinander beispielsweise angesprochen Gestalten des Christentums, christliche Sozialformen, christliches Zeichensystem, Karolinger, Intensivierung des Christlichen im monastischen Leben, der eine Leib Christi und seine beiden irdischen Häupter, Investiturstreit, Städte, Kathedralschulen, Orden, Kreuzzüge, Klerus, Juden, Armutsfrömmigkeit, Mystik, Universität, Schisma, Konzilien, Untergang Ostroms, Quantifizierungen der Frömmigkeit oder universitäre Wissenschaft und humanistische Wissenskultur. Quellenangaben zu den sieben Abbildungen und 15 Seiten umfassende Register runden das informative Werk, welches das Mittelalter in den unterschiedlichen Strängen der neuzeitlichen Konfessionen gleichermaßen fortgeführt wie zu seinem Ende geführt sein lässt, vorteilhaft ab.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler