Kanzleisprachenforschung. Ein
internationales Handbuch, hg. v. Greule, Albrecht/Meier, Jörg /Ziegler, Arne
unter Mitarbeit von Glantschnig, Melanie/Reichsöllner, Jacob/Scherr, Elisabeth
De Gruyter, .Berlin 2012, 680 S. Besprochen von Inge Bily.
Das von Albrecht Greule, Jörg Meier
und Arne Ziegler herausgegebene und unter Mitarbeit von Melanie Glantschnig,
Jacob Reichsöllner und Elisabeth Scherr entstandene internationale Handbuch zur
Kanzleisprachenforschung schließt eine Lücke, denn es wird „erstmals ein
umfänglicher Überblick über den Gegenstand, die Geschichte, die
wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen und den Stand der
Kanzleisprachenforschung gegeben, die sich in den vergangenen 15 Jahren als
eigenständige Forschungsrichtung im Rahmen der Sprachgeschichtsforschung fest
etabliert hat“ (Einleitung, S. VII-VIII).
Mit dem Handbuch sollen 1. bestehende
Probleme und Desiderata der aktuellen Kanzleisprachenforschung interdisziplinär
aufgearbeitet und 2. wissenschaftstheoretische Grundlagen sowie methodologische
Orientierungen dokumentiert und außerdem ein wissenschaftsgeschichtlicher
Überblick der unterschiedlichen im Bereich der Kanzleisprachenforschung relevanten
Ansätze geboten werden.
Die 40 Beiträge, die ein breites
Spektrum an thematischen Schwerpunkten, Methoden und ausgewertetem Material
repräsentieren, werden 5 Hauptkapiteln zugeordnet: I. Kanzleisprachenforschung
im Rahmen der deutschen Sprachgeschichte (Positionierung und Abgrenzung –
Stationen und Berührungspunkte), II. Gebiete und Phänomene (Linguistische
Analyseebenen und Forschungsansätze), III. Kanzleien des Niederdeutschen, IV.
Kanzleien auf hochdeutschem Sprachgebiet und V. Kanzleien am Rande und
außerhalb des geschlossenen deutschen Sprachgebietes. Ein Anhangkapitel (VI.)
mit 3 Registern (S. 647-680) beschließt den Band, vgl. das Sachregister (S.
649-665), das Personenregister (S. 667-674) und das Ortsregister (S. 675-680).
Die Autorinnen und Autoren aus 12
europäischen Ländern stellen ganz unterschiedliche Aspekte der aktuellen
Kanzleisprachenforschung in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen. Berücksichtigt werden
sowohl die verschiedenen Richtungen sprachwissenschaftlicher Tätigkeit wie auch
interdisziplinäre Aspekte der Kanzleisprachenforschung. Im Vordergrund steht die
geschriebene Sprache der städtischen, fürstlichen und kaiserlichen Kanzleien im
Spätmittelhochdeutschen und Frühneuhochdeutschen in Mittel-, Ost- und
Südosteuropa sowie im Baltikum und in Skandinavien. Einer der Schwerpunkte
liegt in der Darstellung unterschiedlicher Kanzleien in den Sprachgebieten des
Deutschen vom Mittelalter bis zur Frühen Neuzeit in Europa. Dabei reicht die Blickrichtung
mitunter deutlich über den geschlossenen deutschen Sprachraum hinaus.
Ein Teil der Beiträge enthält
zusammenfassende Übersichten, Tabellen oder Karten. Besonders sei auf die Karte
zum Beitrag Lenka Vaňkovás mit einer Zusammenfassung des Standes der
Forschung zu Tschechien aufmerksam gemacht, vgl. S. 520-521 (Karte und
Legende).
Die Initiative zum Handbuch ist
maßgeblich den Mitgliedern des Internationalen
Arbeitskreises Kanzleisprachenforschung zu verdanken, der sich seit 1997
aller 2 Jahre trifft. Die Ergebnisse der Konferenzen werden in der Buchreihe Beiträge zur Kanzleisprachenforschung (bisher
7 Bände) vorgestellt.
In ihrer Einleitung sprechen die
Herausgeber bereits die als nächstes anstehenden Aufgaben an, denn im Laufe der
Arbeiten hat sich schnell gezeigt, „dass längst nicht sämtliche Probleme und
Aufgaben der Kanzleisprachenforschung nunmehr abgearbeitet wären, sondern dass
vielmehr das vorliegende Handbuch lediglich ein erster Schritt auf dem Weg
einer weiteren Erforschung der Kanzleisprachen sein kann“ (S. XI). Die Autoren
der im Handbuch versammelten Beiträge weisen ebenfalls gezielt auf Desiderata
hin. Es fehlen noch immer Untersuchungen zu einer Reihe von Ländern oder
Regionen, so zur Ukraine und zu Russland wie auch zur Schweiz oder zu den zahlreichen
ehemaligen Sprachinseln in Südosteuropa, von denen im vorliegenden Band schon
aus Platzgründen nur eine kleine Auswahl behandelt werden konnte.
Dass der Arbeit an einem solchen
Handbuch eine gewisse Dynamik innewohnt, d. h. dass einerseits gewünschte
Themen nicht bearbeitet werden konnten, weil entsprechende Bearbeiter fehlten,
andererseits auch neue Beiträge im Verlauf der Arbeiten hinzugekommen sind, die
zu Beginn so nicht vorgesehen waren, verwundert nicht.
„Das gewichtigste Desideratum der
Kanzleisprachenforschung bleibt […] auch für die Zukunft eine systematische und
analytische Dokumentation der Schriftzeugnisse aus möglichst vielen deutsch
schreibenden Kanzleien.“ (Einleitung, S. XII). Erst dann sind weiterführende
Untersuchungen, wie z. B. Längsschnittuntersuchungen zu einzelnen Textsorten
der Kanzleien oder empirische Studien zu einzelnen Textsorten und sich daraus ergebenden
Fragen möglich.
Den von den Herausgebern in der
Einleitung formulierten Aufgaben wird das internationale Handbuch zur
Kanzleisprachenforschung voll und ganz gerecht. Entstanden ist ein
übersichtlich gestaltetes und gut gegliedertes wissenschaftliches
Nachschlagewerk, das sich an einen breiten Kreis von Fachleuten
unterschiedlicher Disziplinen wie auch an interessierte Laien wendet. Und was
den Nutzern den Zugang zu den in diesem Handbuch zusammengefassten umfangreichen
und fundierten Informationen erheblich erleichtert, ist die Tatsache, dass der
Band fast gänzlich ohne Abkürzungen auskommt, denn „Mit Ausnahme der
diatopischen Sprachstufenbezeichnungen (mhd.,
fnhd., mnd. usw.) sind sämtliche spezifischen Abkürzungen aufgelöst worden,
um gegebenenfalls Fehlinterpretationen vorzubeugen.“ (Einleitung, S. XI). Auf
ein solch hohes Maß an Nutzerfreundlichkeit im Interesse einer effektiven
Handhabung trifft man leider noch viel zu selten.
Leipzig Inge
Bily