Großmann, Stefan, Ich war begeistert. Lebenserinnerungen. Mit einem Vorwort v. Schlösser, Hermann, hg. v. Kluy, Alexander. Edition Atelier, Wien 2012. 304 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der in Wien am 18. Mai 1875 geborene Stefan Großmann musste als „Sohn verarmter Wiener Bürger“ jüdischer Herkunft nach dem Verlust des väterlichen Vermögens in der Gründerzeit seine Mutter bei einem Alkoholausschank nahe dem Prater unterstützen. Die dortige Begegnungen mit Arbeitern und Freudenmädchen hatte prägende Wirkung. Nach Verlassen der Schule ohne Abschluss und einem Streit mit seiner Mutter ließ er sich taufen und zog für zwei Jahre nach Paris.

 

Nach Aufenthalten in Wien, Berlin und Brüssel, in denen er erste Texte in sozialistischen Zeitschriften veröffentlichte, gründete er 1906 in Wien nach einem Berliner Vorbild die freie Volksbühne für die Wiener Arbeiter, die er aber nach einer Auseinandersetzung mit den Behörden um den Bau eines eigenen Theaters 1913 zu Gunsten Berlins verließ. Nach Tätigkeiten für die Vossische Zeitung eröffnete er 1920 die Wochenschrift Das Tage-Buch, die für einige Jahre zu einer der wichtigsten demokratischen Zeitschriften wurde. Nach seinem Ausscheiden verfasste er 1930 die vorliegende Autobiographie.

 

In diesem als Auftakt für die dem gelebten Augenblick gewidmete Reihe Wiener Literaturen ausgewählten Werk schildert der 1925 auf den Seiten 1664 des Tage-Buches eine weitsichtige Rezension  von Adolf Hitlers Mein Kampf veröffentlichende, im März 1933 nur durch seinen schlechten Gesundheitszustand vor der Verhaftung durch die geheime Staatspolizei bewahrte, aber zum Verlassen des Deutschen Reiches gezwungene und in Wien am 3. Januar 1935 verstorbene seinerzeit bekannte Journalist lebendig und einprägsam das ihn umgebende und beflügelnde kulturelle Leben in Wien und Berlin. Nach einem kurzen Hinweis des Herausgebers, einem nachgereichten Inhaltsverzeichnis und einer Einführung Hermann Schlössers über Begeisterung als Lebensenergie entfaltet der Verfasser seine reichen Fähigkeiten von Tänzen im Branntweinladen bis zum abschließenden Privatissimum. Eine Zeittafel und einige Einordnungen durch Zeitgenossen runden die bibliophile Autobiographie ansprechend ab.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler