Gerwarth, Robert, Reinhard Heydrich. Biographie. Siedler Verlag, München 2011. 480 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Reinhard Tristan Eugen Heydrich wurde in Halle an der Saale am 7. März 1904 als Sohn eines Komponisten und der Tochter des Leiters des königlichen Konservatoriums Dresdens geboren, national geprägt schloss sich 1919 einer freiwilligen Einwohnerwehr eines Freikorps an und trat 1922 als Seekadett in die Marine des Deutschen Reiches ein, in der er 1928 zum Oberleutnant zur See ernannt wurde. Da er wegen der im Dezember 1930 kennengelernten, aus einer nationalistisch gesinnten Familie stammenden Lina von Osten eine ältere Beziehung zu einer bisher unbekannten Frau abbrach, wurde er von Admiral Raeder wegen Unaufrichtigkeit als offiziersunwürdig zum 30. April 1931 aus der Marine entlassen. Im Juni 1931 trat er mit der Mitgliedsnummer 544916 in die NSDAP und mit der Mitgliedsnummer 10120 in die Schutzstaffel ein, wurde im August 1931 Heinrich Himmler vorgestellt und stieg trotz eines anfänglichen Irrtums durch den Aufbau eines Sicherheitsdiensts zum 1. Dezember 1931 zum Hauptsturmführer der SS und im Juli 1932 zum Standartenführer auf.

 

Sein 1976 geborener Biograph wurde in Berlin und in Oxford in Geschichte ausgebildet und promovierte in Oxford mit der im Jahre 2005 veröffentlichten Dissertation über The Bismarck myth - Weimar Germany and the legacy of the Iron Chancellor. Die darin vertretene Ansicht, dass Bismarcks idealisierte Vergangenheit die Weimarer Gegenwart gefährdet habe, stieß auf allgemeineres Interesse. Nach Forschungsaufenthalten in Oxford, Princeton und Harvard wurde er früh an die Universität Dublin berufen.

 

Der Verfasser schildert sorgfältig und einnehmend den Aufstieg Heydrichs zum Leiter des Reichssicherheitshauptamts und stellvertretenden Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, der am 27. Mai 1942 in Prag bei einem auf Befehl der tschechoslowakischen Exilregierung in London in einer engen , nur mit geringer Geschwindigkeit durchfahrbaren Haarnadelkurve mit Maschinenpistole und Handgranate ausgeführten Attentat so schwer verletzt wurde, dass er am 4. Juni 1942 im Alter von 38 Jahren starb. Alle inneren Gründe des Wandels Heydrichs vom musisch interessierten, unpolitischen Seeoffizier zum leitenden Organisator der beginnenden Judenvernichtung lassen sich gleichwohl auch von ihm nicht mehr enthüllen. Dessenungeachtet ist das bedeutende Werk die erste wissenschaftliche Biographie des radikalen Nationalsozialisten Heydrich, der zwecks Eindeutschung die vollständige Vernichtung aller kulturellen, politischen und rassischen Elemente in einem besetzten Territorium für richtig hielt, die sich nicht mit der nationalsozialistischen Weltanschauung vereinbaren ließen.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler